Umstände der Entstehung vom Steppenwolf

Umstände der Entstehung vom Steppenwolf

Hermann Hesse über den Steppenwolf:

„Eine neue Dichtung beginnt für mich in dem Augenblick zu entstehen, wo eine Figur mir sichtbar wird, welche für eine Weile Symbol und Träger meines Erlebens, meiner Gedanken, meiner Probleme werden kann. Die Erscheinung dieser mythischen Person (Peter Camenzind, Knulp, Demian, Siddhartha, Harry Haller usw.) ist der schöpferische Augenblick, aus dem alles entsteht. Beinahe alle Prosadichtungen, die ich geschrieben habe, sind Seelenbiographien, in allen handelt es sich nicht um Geschichten, Verwicklungen und Spannungen, sondern sie sind im Grunde Monologe, in denen eine einzige Person, eben jene mythische Figur, in ihren Beziehungen zur Welt und zum eigenen Ich betrachtet wird.“
(Hesse H.: Gesammelte Schriften 7. Frankfurt am Main 1987. S. 302)

Hesses Roman „Der Steppenwolf“ entsteht in einer schweren seelischen Krise des damals knapp 50jährigen Autors und zugleich als Reflex auf die Erscheinungen der modernen Massen- und Industriegesellschaft der zwanziger Jahre. Die Vorarbeiten reichen bis in Jahr 1922. Der Wille zur Wahrheit treibt den Dichter zu einer erneuerten Sezierung des eigenen Ichs und seiner Zeit. Verhasstet vom eigenen Dasein und vielen privaten Schwierigkeiten unterzieht sich er wieder einer Psychoanalyse. Verhasstet ist ihm auch sein Tun und seine Umwelt. In einem Brief aus dieser Zeit erklärt er: „Schreiben Sie mir keinen Brief mehr. Jeder Blick in Euer normales, bürgerliches, befriedigtes Leben hinüber ist mir zu dieser Zeit unerträglich.“ (Zeller B.: Hermann Hesse. Reinbek bei Hamburg 1963)
Zugleich leidet Hesse zutiefst an dem Phänomen der technisch- rationalisierten Welt und betrachtet den Geist und die Seele der Menschheit gefährdet. Unter dem Begriff technische– rationalisierter Welt sieht Hesse auch die Bedrohtheit durch Katastrophen und Kriege.
Die Wintermonate 1923/24 verbringt Hesse in Basel, wo er anfangs mit seiner Frau Ruth im Hotel Krafft wohnte, später lebt er jedoch allein in der Lothringer Strasse in einer Mansardenwohnung und beginnt mit der Niederschrift des „Steppenwolf“. Alice und Fritz Leuthold haben ihm in den Jahren 1925 – 1932 ein Zürcher Winterquartier zur Verfügung gestellt. Fast die Hälfte von allem, was er seit 1925 geschrieben hat, ist in den Zürcher Wintern entstanden, bekannte Hesse selbst in einem Dankbrief vom 17.4. 1932 an Ehepaar Leuthold, die ihm diese Zuflucht durch Winterquartier in seiner jahrelang dauernden Krisis gewährten.
Der Steppenwolf ist auch mit anderen biographischen Zügen aus dieser Periode Hesses Lebens geprägt. Zum Beispiel die Idee den Harry tanzen lernen lassen ist selbstverständlich eine Widerspiegelung aus dem Leben des Autors, der 1926 selbst einen Tanzkurs besuchte. Im Februar 1926 schrieb Hesse in einem Brief an Alice Leuthold: „Für mich liegt die Bedeutung dieser Tänzerei natürlich vor allem in dem Versuch, mich irgendwo ganz naiv und kindlich dem Leben und Tun der Allerweltsmenschen anzuschließen. Für einen alten Outsider und Sonderling ist das immerhin von Bedeutung.“
(Mayer H. – Fleckhaus W.: Hermann Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten. Frankfurt am Main 2000, S. 218)
Im gleichen Jahr wurde im Hotel Baur au Lac ein Maskenball veranstaltet, wo auch Hesse selbst teilgenommen hat. Diesen Ball beschrieb er dann im Steppenwolf.
Die Tänzerei war im Hesses Lebenskrisis von großer Bedeutung. Wie Harry Haller im Buch so Hermann Hesse in seinem Leben hat sich schließlich dem Rhythmus von Foxtrott und Boston untergeordnet und genießt das Leben auf solcher Art, die er früher hasste: „Das Schönste von allem war der Karneval. Noch Tagelang fielen mir je und je verspätete Konfetti aus den Ärmeln, und über meinem Schreibtisch, der meistens von friedlichen Staub bedeckt ist, hängen und stecken an der Wand Fotographien von Frauen in eleganten oder phantastischen Ballkostümen. Es ist eine unglaublich schöne Frau darunter, ihretwegen hat es sich gelohnt, dass ich schnell noch vor dem Alterwerden den Foxtrott und den Boston gelernt habe (Hesses Tanzpartnerin Julia Laubi - Honegger). Ich kannte sie noch nicht, als ich zum Tanzlehrer ging, und doch war es ihretwegen, dass ich hinging. Man tut alles im Leben, oder das meiste, der Frauen wegen (ähnlich wie Harry Haller, Bemerkung E. K.). Habe ich den größten Teil meines Lebens hindurch mich angestrengt und mir Systeme ersonnen, um mich gegen die Frauen zu wehren, so tue ich jetzt zur Abwechslung das Gegenteil. Habe ich mich während meiner Jugendjahre um Weisheit bemüht, so gebe ich mir jetzt Mühe, auch einmal ein Kindskopf zu sein.“ (Mayer H. – Fleckhaus W.: Hermann Hesse. Sein Leben in Bildern und Texten. Frankfurt am Main 2000, S. 218)