THOMAS MANN * 1878 + 1955
THOMAS MANN * 1878 + 1955
Der Analytiker, Chronist spätbürgerlichen Verfallskultur in Deutschland wurde Thomas Mann bald nach dem Tod des Vaters mit dem die Jahrhundertalte patrizische angesehene Kaufmannstradition der Familie erlosch, folgte er, die verhasste Schule verlassend, der Mutter vom Lübeck nach München. Versuche in Ausbildung in praktischen Berufen gab er auf und ging 1896 mit Heinrich für mehrere Jahre nach Rom. Vorangegangenen kleinen Arbeiten folgten hier die ersten Teile des mit kaum 25 Jahren beendeten weitläufigen Romans – “Buddenbrooks Verfall einer Familie“ ( 1901 ), der als erster der bedeutender nachfolgenden Erzzählungen Weltruhm gewann und auf den sich einviertel Jahrhundert später die Verleihung des Nobelpreises gründete 1925, eröffnete den deutschen Roman den Weg im die europäische und Weltliteratur.
Überblickt man Thomas Manns Werk von dem 1. WK so zeigt sich, dass 4 Hauptfiguren seines literarischen Schaffens – Hanno – Buddenbrooks, Spinell – Tristan, Tonio Kröger – Tristan, Gustav Aschenbach – der Tod in Venedig – Künstler sind die angespannten Verhältnis zu Gesellschaft dieser Zeit ( der Differenz zu Kunst und realen Leben ) leiden, / an ihr zu Grunde gehen.
Deren Konflikte und Probleme hat man aus der Perspektive des leidenden Individuums dargestellt. Der soziale Ursachenkomplex bleibt in Hintergrund, die scheinbare Trennung Individuum und Gesellschaft gilt als unüberwindbar manschen kritische Moment in Werken vor 1914 ist dessen Darstellungsprinzip.
Ironie als stilistische Prinzip setzt ein gebrochenes distanziertes Verhältnis zum Gegenstand der Darstellung voraus. Die Wirklichkeit ist noch darstellenswert aber sie wird nicht mehr ganz ernst genommen.
Ein Leitthema des manschen Werks das spannungsreiche Verhältnis vom bürgerlichen Leben und Kunst ist an deutlichsten in der Novelle “Tonio Kröger“ ( 1903) angeschlagen.
Ausführliche Erörterungen über diese Problematik in dem 2. Teil der Erzählung zu der Titelfigur und Freundin Lisawetta lassen das Werk dass der Autor rückblickend Einvierteljahr später zu seinem liebsten Werk erklärt, fast zu einer essayistischen Abhandlung werden. Tonio Kröger ist mit Autobiographischen Zügen ausgestattet, wie viele der manschen Figuren.
Er schwankt zwischen Verachtung der bürgerlichen Welt und der Sehnsucht nach deren Normalität.
Dass der Zustand der bürg. Welt wegen seiner banalen Geschäftlichkeit und “Gesundheit” zu entflehen versucht, auch ihn geprägt hat.
Buddenbrooks erzählen den Verfall einer Familie der großbürg. Familie des 19. Jahrhundert in Lübeck, basierend auf das autobiographische Material der Familie Mann, das der Autor bis in die Details der epochalen Gestaltung übernommen hat.
Sie ist die Chronik und Bilanz einer Epoche mit der der Autor kritisch-skeptisch den Aufstieg und Fall einer patrizischen Familie über 4 Generationen hinweg darstellt. Die Entwicklung der Familie Buddenbrook/Mann ist nicht repräsentativ für die des deu. Bürgertums in 19. Jahrhundert. Dennoch vermittelt die mit analytischen Scharfsinn nachgezeichnete Wirklichkeit der hansischen Kaufmannschaft eine Menge allgemein gültige Züge – bürg. Klassenbewusstsein, pol. Konservativismus und die Tugenden der Ehrbarkeit und Aufrichtigkeit die das Bürgertum großgemacht haben.
Obwohl der Autor durch seine Darstellungsweise zu erkennen gibt, dass er stolz auf seine bürg. patrizische Herkunft und ihre Normen ist, gehört seine auf sich selbst bezogen Liebe dennoch jenem morbiden Spätprodukt, dass für die bürg. Geschäfte nicht Anspruch an die rechte Fähigkeit und Neigung aufzubringen vermag und sich dilletierend der Kunst verschreibt.
Hanno Buddenbrook – ist als einzige Gestalt des Romans aus der ironisierenden Darstellung herausgegangen und geniest die volle Sympathie des Autors. Die Buddenbrooks stehen in der Tradition der eu. und deu. realistisch-kritischen Erzählkunst des 19. Jh.
Oft genug hat der Autor darauf hingewiesen, auf wessen Schultern er da steht. Das sind Storm und Fontane, auf der anderen Seite Tolstoj, Dostojevkij und Turgenev. Dann gehörten seit den Erscheinen der Buddenbrooks bis zum Tod zu den auch international erfolgreichsten Schrift des Jahrhunderts. ( Nobelpreis – 1929)
Seine ironisch-brillante und noansenreiche Schreibweise stellt hinsichtlich der Ausnutzung der Möglichkeiten die die deu. Sprache bietet wohl einen der höheren zu der epochalen Kunst dar.
In der Novellensammlung “Tristan“ (1903) nehmen vor allem 2 Erzählungen dieses Grundmotiv wieder auf. Die glänzend gebaute Titelnovelle spielt ein Vorklang des Zauberbergs in der weltabgeschlossenen Atmosphäre eines Sanatoriums. Zwischen dem zu gelegentlichen kurzen Besuchauftauchenden von massiver Gesundheit und eines optimistischen Daseins und freudevollen Geschäftsmann Kläterijan und dem empfindsam hyperästhetischen kaum weniger ironisierten Schriftsteller und Dauergast Spinell die sich der Bewunderung der spärlich schreibenden Schriftsteller nachgibt und gegen das strikte ärztliche Verbot in einer großartig beschriebenen Szene die Wagners Tristan Musik zu selbstvergessenem Bekenntnis werden lies, erspielt sie selber hingerissen und künstlerisch höchste ästhetische platonische Erzückung sich selber den erfrühtem schnellen Tod.
1905 heiratete T. M. in München Katja Prinkheim die hohen Geistes und Geldadel entstammend die treue, kluge Gefährtin seines Selens wurde, ein Schritt und zugleich die Sicherung seiner Existenz gewährleistete. So führte er zurückgezogen und distanziert ein geordnetes Leben großbürg. Stils bestimmt durch Fleiß und eine strikte Regelung der Arbeitszeit und Disziplin, dadurch wurde ihm möglich sich eine umfassende Kenntnisse der Weltliteratur anzueignen und diese Bildung seiner schriftstellerischen Produktion integrierend, das imponierende literarische und breite essayistische Werk seines Lebens zu erreichen.
Mit T. Kröger folgte noch liebenswürdige aber auch utopisch ironische vernünftige Märchen, wie der Autor es nannte, der kleine Roman, “Königliche Hoheit“ ( 1909 )
Unerbittlich enthüllt die sprachlich und gestalterisch vollkommene Novelle “Der Tod in Venedig“ ( 1913 ) aufs Neue die tötliche Gefährdung der Künstlerischen Existenz durch Natur und Wirklichkeit.
Der Schriftsteller Eschenbach hohen Ranges als Künstler und als Mensch wird ein morbiden Klima der verzaubernden Lagerumstände vor der Disziplin Künstlerischen Schaffens besinnter Haltung zuwider ständig Schritt für Schritt in das tötliche Abenteuer und in die Verfallenheit an die Gestallt eines vollkommen schönen Knaben gezogen, erfällt der vereinzelnd auftretenden Cholera zum Opfer.
In den Jahren vor dem 1. WK plante T.M. einen Roman um Friedrich dem Grossen. Der Ausbruch des WKs veranlasste den Autor zum ausführlichen Essay “Friedrich und die Grosse Koalition 4 ein Abriss für den Tag und für die Stunde“ (1915) zu veröffentlichen. Dieser folgte gegen Ende des WKs ein bekenntnisshaftes Werk “ die Betrachtungen eines Unpolitischen“ (1918 – später überarbeitet) In der Tat bleiben eigentlich politische? ganz außer Betracht wie im seinen erzählerischen Werk gesellschaftspolitische Probleme uns im Bereich der Arbeitsklasse kaum in Erscheinung treten.
T.M. legt der Betrachtungen die geschichtlichen um prinzipielle Gegenständigkeit deutscher Kultur und westlicher Zivilisation zu Grunde von der er nicht so sehr politisch Machtsansprüche als einen deutschen Kulturauftrag ableitet.
Er nahm einen schon 1913 gefassten Plan wieder auf, in dem er die inneren Voraussetzungen den Betrachtungen korrigierend von dem neugewonnenen Standpunkt auf eine Analyse der deutsch-europ. Vorkriegsgeistigkeit und der Endphase in die sie gelangt war, vornahm.
"Der Zauberberg" /1924/ unternimmt es nach einem Wort des Autors auf wunderliche, ironische und fast parodistische Weise den alten deutschen wilhelmmeisterlichen Bildungsroman zu erneuern. Diese Bemerkung beweißt auf die bewusste Wendung zu Goethe so dann auf der entschlossenen Suche, die Positivität des Lebens und damit eine neue Humanität zu begründen und schließlich gelangen die Parodie, Ironie, und die dazu gehörige Technik der Montage zu bewussten und überlegenen Stillmitteln. Er benutzte die traditionellen Erzählformen, doch so, dass er sie zugleich in überlegenen Stil ironisch-parodistisch auflöste. Der Autor hat den Zauberberg als Gegenstück zu den Buddenbrooks als Wiederholung auf eine höhere Stufe bezeichnet. Der Roman bringt nicht wie üblich ein Geschehen in der Dimension der Zeit, sondern er entfalltet sich als ein vielästiges hochartifizielles Gebilde, wesentlich im Raum. Dieser ausserhalb von Zeit und banaler Wirklichkeit liegender Ort ist ein hochalpines, schweizer Lungensanatorium. Der junge, deutsche Hans Castorp gerät in diesen hermetisch von der Aussenwelt abgeschlossenen unter seinen eigenen Gesätzen stehenden Raum und wird dort irtümlich, zufällig eine lange Zeit, die der Autor auf 7 Jahre beschränkt festgehalten. Grosse Rolle spielen hier die Zahlen 3 + 4=7.
Dominanten dieses künstlerischen Raumes sind die Krankheit, die ständige Nähe des Todes, Verfall des Willens. Inmitten dieses abgeschlossenen zeitenrückten Raumes mit seiner Fülle wechselnder Gestallten einem Konzentrat europäischer Geistigkeit vor 1914 bewegt sich Hans Castorp unauffällig, zuhörend, lernend. Diese aufgeschlossenen Suchen ganz ohne die Merkmale der Genialität, diese Lehrjahre der Humanität sind es allein, die an Wilhelm Meister erinnern. Auch hier ist ein autobiographisches Moment wirksam.
Im Zauberberg wie überhaupt in der 2. Hälfte seines Schaffens tritt sein Bemühen um Wiedergewinnung einer neuen ironisch-kritisch gesicherten aber heute noch realisierbaren Humanität in eine veränderte Phase. Schon wenige Jahre nach Erscheinen des Zauberbergs begann T.M. sein nach Stoff und Umfang vor allem nach erzähl. und sprach. Kunst der Weite des Geschehens und der Ideenfülle bedeutenstes Werk. Die Romantrilogie "Joseph und seine Brüder". Die beiden ersten Bände, die Geschichten "Jakobs" /1933/ und "Der junge Joseph" /1934/ entstanden noch in Deutschland. In der Emigration in den USA folgten "Joseph in Ägypten" /1936/ und die 16-jährige Entstehungszeit abschliessend "Joseph der Ernäher" /1943/. Das in diesem Großroman verarbeitete frühgeschichtliche und ägyptologische Mythen und religionsgesch. Wissen ist erstaunlich. Überweltigender ist die unerschöpftliche Freunde und Fülle phantasiereichen Erzählens von Geschichten und Szenen. So verdient Roman an erster Stelle als Erzähl- und Sprachkunstwerk höchsten Randes, gerühmt zu werden. Der Autor selbst nannte es ein Sprachwerk, eine Menschheitsdichtung, einen epischen Scherz, ein kosmisches Menschheitsmärchen.
T.M. hatte sich in den Nachkriegsjahren von Schoppenhauer und Nietsche entfernt und immer stärker Goethe zugewandt.
In "Lotte in Weimar" /1939/ entwirft mit wirtuoser Sprach- und Stilkunst die Problematik des alternden Goethe. Vom Geschpräch beherrschter Roman ist ein Bericht über den Besuch den Charlotte Kestner 44 Jahre nach Wetzlar 1816 mit ihrer Tochter bei den in Weimar resirenden Geistesfürsten machte.
Schon in der satirisch-antifaschistischen Erzählung "Mario und der Zauberer" /1930/ aber auch in Reden und Aufsätzen hatte T.M. vor der die Kultur wie die Humanität bedrohenden Gefahr des totalitären Nationalsozialismus und Rassismus gewarnt. In der Schweiz tratt er 1936 mit einer offenen Kampfansage an das neue Regim hervor und steigerte diesen Kampf in den USA seit 1938 und vor allem während des Krieges zu leidenschaftlicher und erbittlicher Schärfe. Schon 1936 war ihm die deutsche Staatsangehörigkeit abgesprochen und sein Besitz in Deutschland beschlagnahmt worden. Die philosophische Fakultät in Bonn entzog ihm die einst von ihr verliehene Würde des Ehrensdoktors. 1943 begann er sein persönliches Werk, von dem er bekannt hat, dass es ihn mehr gekostet hat als jedes andere. Es war die unausgesprochene radikale Abrechnung mit den Betrachtungen eines Unpolitischen und mit sich selbst. Es ist "Dr. Faustus - das Leben des deutschen Tonsätzers Adrian Leverkühn erzählt von einem Freunde" /1947/. Faust weiss dabei weniger auf Goethe auf als das reformatorische Zeitalter zurück, jedoch versetzt in die 1. Hälfte des 20 Jhds. und vor dem hHrizont des Untergangs einer deutschen Epoche. Diese Symbolgestallt ist Musiker. Zugleich wird der Roman zur Auseinandersetzung mit Nietsche, dessen Aufstieg Grösse und Zusammenbruch dem Autor als Model dienten, ohne dass sein Name genannt wird. Der Autor erzählt nicht direkt.
Er stellt zwischen sich und den Leser einen fiktiven Erzähler, den Studienrat Zeitblom. So enthält der Roman 2 zeitliche Ebenen, die des fiktiven Chronisten und Biographen, der im Unterschied zu Leverkühn Verlauf und Katastrophe des Hitlerregims miterlebt und seine Erfahrungen und Gedanken zu Gang und Katastrophe des Krieges immer wieder einfliessen lässt. Die 2. zeitliche Ebene ist die zurückliegende tragische Geschichte Leverkühns. Zeitblom vermag weder die einsame tragische Genialität Leverkühns, dieses Helden unserer Zeit, der das Leid unserer Epoche trägt, wirklich zu begreifen, noch den Gang des Hitlersregim anders als hilflosen Trauer und ohnmächtigen Entsetzen zu betrachten. Aus dem Biographen Leverkühs wird so zugleich ein Chronist der Hitlerzeit.
T.M. hat ihn einmal als Parodie seines Selbst bezeichnet.
Thoman Mann sein letzter und heiter amüsantester Roman "Die Bekentnisse des Hochstaplers Felix Krull" /1954/. Erneut verbirgt sich der Autor hinter einem fingierten Erzähler in dem der Roman sich als Autobiographie ausgibt. Krull aus längerer Haft entlassen, berichtet über den bisherigen Verlauf seines Lebens. So erhält der Autor die Gelegenheit das ineinander vielfacher Sprach- und Stilschichten der Herkunft und dem Werdegang Krulls entsprechend ins Spiel zu bringen. Felix Krull verkörpert den listenreichen Dieb und Schelme. Felix Freiheit lebt aus der Fülle des Möglichen und der Phantasie. Sie lernt nicht den Lebensernst, wohl aber Freiheit und Vergnügen des Spiels, der sich in bietenden Rollen auf den ständig wechselnden Bühne des Lebens. Einen breiten und bedeutenden Raum im Gesamtwerk Thomas Mann beansprucht seine Essayistik, die er in Arbeiten und Vorträgen über Goethe, Tolstoj, Dostojevskij, Nietsche, Wagner und viele andere in seiner Prosa erhob.