Morph, Morphem und Allomorph - celok 3

Morph, Morphem und Allomorph - celok 3

Der Begriff des Morphs (vgl. [Bussmann:90], Morph) bezeichnet die konkret realisierte lautliche Äußerung eines Wortteils. Alle Morphe, die konkrete Repräsentanten derselben Bedeutung sind, sind konkrete Äußerungen eines Morphems (vgl. [Bussmann:90], Morphem). Der abstrakte Begriff des Morphems bezeichnet also den Träger einer Bedeutung; das Morphem ist die kleinste bedeutungstragende Einheit einer Sprache.
Die konkrete lautliche Gestalt von Morphen eines Morphems kann variieren. Diese Varianz kann entweder unsystematisch sein, also ohne grammatikalische Signifikanz, oder systematisch, d.h. hinter der Varianz verbirgt sich irgendeine erfaßbare Systematik, die von grammatikalischer Bedeutung ist.
Bei systematischer Varianz müssen sich Kriterien dafür finden lassen, in welchen Umgebungen welche Varianten auftreten. Diese Umgebungen (bzw. deren Abgrenzung) bezeichnet man als Verteilung oder Distribution. Wenn diese Verteilung der Varianten komplementär ist, wenn also jede Variante nur in der Umgebung vorkommt, in der die anderen Varianten nicht vorkommen, dann bezeichnet man die Varianten als Allomorphe eines Morphems (vgl. [Bussmann:90], Allomorph).
Dem Begriff der Allomorphie kommt in der linksassoziativen Morphologie eine zentrale Rolle zu, insofern als hier die oberflächenkompositionale Zusammensetzung von Wortformen auf Allomorphbasis und nicht auf Morphembasis beschrieben wird.
Man unterscheidet phonologisch motivierte und morphologisch motivierte Allomorphie. Bei phonologisch motivierter Allomorphie wird die lautliche Gestalt des Allomorphs von der phonetischen Umgebung bestimmt; die Auslautverhärtung im Deutschen ist ein Beispiel phonologischer Allomorphie. Allomorphie, die nicht phonologisch motiviert ist, heißt morphologische Allomorphie.
Die vorliegende Arbeit behandelt die Oberflächen von Morphen jedoch nicht auf phonetischer, sondern auf orthographischer Basis. Dadurch verschwinden an einigen Stellen phonologische Allomorphiephänomene, die in der Orthographie nicht widergespiegelt werden, wie z.B. die Auslautverhärtung. Dafür tauchen an anderen Stellen Variationsphänomene auf, die von rein orthographischen Phänomenen herrühren, beispielsweise bei der Substitution von <ß> durch <ss>. Zwar ist hier strenggenommen der Begriff der Allomorphie nicht korrekt; im Rahmen der Aufgabenstellung und in Anbetracht der Tatsache, daß die Orthographie des Deutschen als eine (wenn auch an einigen Stellen phonologisch unzureichende) Abbildung der lautlichen Gestalt des Deutschen betrachtet wird, erscheint die Benutzung des Allomorphiebegriffs dennoch angemessen.
Bei der Beschreibung von morphologischen Allomorphiephänomenen lassen sich diese in vier Klassen der Regularität einteilen: reguläre, semi-reguläre, semi-irreguläre und irreguläre Allomorphie (vgl. [Hausser:96], S.345).
reguläre Allomorphie: Es existiert nur ein Allomorph (Morphem); es existiert also gar keine Allomorphie.
semi-reguläre Allomorphie: Es existiert mehr als ein Allomorph; die Gestalt aller Allomorphe kann aus der Oberfläche der Grundform geschlossen werden.
semi-irreguläre Allomorphie: Es existiert mehr als ein Allomorph; die Gestalt der Allomorphe kann nicht aus der Oberfläche der Grundform geschlossen werden, läßt sich jedoch regelhaft ableiten, wenn zusätzliche kategoriale Information über die Irregularität vorhanden ist.
irreguläre Allomorphie: Es existiert mehr als ein Allomorph; die Gestalt der Allomorphe läßt sich weder aus der Oberfläche der Grundform noch aus sonstiger kategorialer Information regelhaft ableiten.