Moderne – Alptraum oder Utopie?

Moderne – Alptraum oder Utopie?



Die Moderne ist die Zeit in dem Jahren 1890-1920, also die Zeit vor dem ersten Weltkrieg. Dies zeigt sich auch in den Arbeiten der Künstler. So ein Beispiel ist ein Bild von Marc, der Kämpfende Formen heisst. Man kann es als Vorahnung auf die Schrecken des bevorstehenden Krieges verstehen.
Das Bild kann aber auch philosophisch gedeutet werden: Man glaubt, einen roten Adler zu erkennen, der sich im Kampf mit einer anderen Kreatur befindet. Licht und Finsternis, als polare Kräfte des Lebens, verkörpern den Widerstreit zwischen materieller und geistiger Welt. Die Kunstentwicklung der Moderne vor dem Ersten Weltkrieg ist ein einmaliges Geschehen. Den Menschen beginnen sich tiefere Seelenschichten zu erschließen, man tastet nach dem Geistig-Spirituellen in allen Seinsbereichen und versucht, aus den Schranken des Irdischen herauszukommen.
Und Marc - als unermüdlicher Streiter und Publizist der neuen Ideen - spricht dort die hohen Ziele aus: "Durch ihre Arbeit ihrer Zeit Symbole zu schaffen, die auf die Altäre der kommenden Religion gehören und hinter denen der technische Erzeuger verschwindet".
Sein Bild "Der Turm der blauen Pferde" -die "Ikone des deutschen Expressionismus" - zeigt, wie auch zahlreiche andere seiner Tierbilder, die Suche nach dem Geistig-Wesenhaften nicht nur des Tieres. Marcs Denken und Schaffen sind in hohem Maß von Idealismus erfüllt, und sein Verständnis des Symbols zeigt verwandschaftliche Züge zu dem Belyjs, wenn bei ihm auch das Ideelle im Vordergrund steht: "Die Sehnsucht nach dem unteilbaren Sein, nach Befreiung von den Sinnestäuschungen unseres ephemeren Lebens ist die Grundstimmung aller Kunst. Ihr großes Ziel ist, alle unsere Sinnesbegriffe, das ganze System unserer Teilempfindungen aufzulösen, ein unirdisches Sein zu zeigen, das hinter allem wohnt, den Spiegel des Lebens zu zerbrechen, dass wir in das Sein schauen."

Der Erste Weltkrieg zerstört viele Hoffnungen. Das Zwangssystem des Kommunismus mit seinem Terror und der Nationalsozialismus, der den Zweiten Weltkrieg entfesselt, bringen Gewalt und Unterdrückung. Künstler, die sich mit hohem Streben für ihre Ziele einsetzen und auch Widrigkeiten und Rückschläge erleiden müssen, werden auf die eine oder andere Art in den Strudel der Ereignisse mit hineingerissen: Franz Marc fällt als Soldat im Ersten Weltkrieg, Belyj lebt als "reaktionär bourgeoiser Schriftsteller" unter schwierigen Bedingungen und hat kaum eine Möglichkeit zu veröffentlichen. Kandinsky emigriert nach Frankreich und Schönberg findet sein Ende im Exil in Los Angeles. Was sich hier als keimhafte Versuche eines neuen künstlerischen Ausdrucks gezeigt hatte - auf der Suche nach einem tieferen, geistigen Aspekt des Tones, der Farbe, der Sprachlaute -, verfestigt sich seit Anfang der 20er Jahre wieder in selbst gesetzten Regeln, Gesetzen und Rückgriffen auf die Tradition.
Die Künstler flüchteten nicht nur vor dem Krieg sondern auch vor der sich immer weiter verbreitender Materialisierung.
"Expressionismus war die Antwort der Künstler auf die bedrohlich gewordene Materialisierung und Reglementierung des Lebens. Mit kreativem Zorn reagierten sie auf die wachsenden Gefährdungen, die sich aus den sozialen Spannungen, kulturellen Konflikten und psychologischen Belastungen ergaben, welche gerade in Deutschland festzustellen waren: Folgen des raschen Übergangs vom bäuerlichen zum städtischen Leben, von der handwerklichen zur industriellen Produktion und vom partikular- zum zentralstaatlichen System (...) Expressionismus war die Empörung des Gefühls gegen den kalten Mechanismus, der begonnen hatte, den Alltag zu bestimmen. Als erste Kunstrichtung nahm er sich entschieden auch der gesellschaftlich Benachteiligten, der Ausgestoßenen, Rechtlosen, Kranken und Hilfebedürftigen an..." (Horst Richter 1997, S. 16-17)