LITERATUR DER JAHRHUNDERTWENDE 1890 – 192O
LITERATUR DER JAHRHUNDERTWENDE 1890 – 192O
Die Reichsgründung 1871 führte zu einem Aufschwung der Wissenschaft, Technik, Industrie und Wirtschaft. Es setzt sich der ökonomische Pragmatismus durch, es steigt die Herrschaft des Finanzkapitals. Deutschland wird zu einer der imperialistischen Großmächte und kann sich in den Konkurrenzkampf um die Eroberung derWeltmärkte eingliedern. Diese Entwicklung bringt Veränderungen in der sozialökonomischen Struktur der Gesellschaft mit sich. Die Arbeiterklasse wird stärker, es wächst eine revolutionäre Stimmung, es entwickelt sich die sich an die Ideen des wissenschaftlichen Sozialismus anlehnende Arbeiterbewegung.
In diesem Zeitabschnitt gibt es keine einheitliche literarische Strömung. Außer dem Naturalismus bestehen nebeeinander Impressionismus, Symbolismus, Neuromantik, Dekadenz, Jugendstil und Expressionismus, die zusammen die Moderne genannt werden.
Nach dem Ersten Weltkrieg veränderte sich das Lebensgefühl der Menschen. Das bürgerliche Zeitalter wurde beendet. Auch die jüngere Dichtergeneration dachte anders. Sie wollte auch anders schreiben und brachte die Gleichheit im Stoff ein neues Verhältnis zum Ausdruck. Sie beachtete weniger das ästhetische Momment. Was früher Stimmung, Eindruck, naive Erzählung, Gefühl oder Einzelschicksal war, wurde nun Gleichnis, Mittel einer oft illusionslose Welterkenntnis. Die Dichter sehen Ursachen hinter jedem Geschehen und dieses Hintegründige sollte zum Vorschein kommen. Man sollte das Wesentliche, das Zeitlose und das Typische zeigen. Die Sprache wurde weniger pathetisch. Man verbreitet eine Literatur sachlichen Stiles, die man „Neue Sachlichkeit“ nennt. Sie kam aus dem Naturalismus, verwendete die nüchterne Sprache des Alltags. Sie bevorzugte Stoffe des sachlichen Daseins, der Industrie, der Politik. Häufige Stoffgebiete wurden Großtadtdasein, Arbeitslosenschicksal, Nachkriegswelt, Berufsleben und Technik. Der Stil wurde unsentimental, manchmal auch ironisch oder reportagenmäßig. Charakteristisch ist das Fehlen einzelner „Helden“. Diese literarische Gattung hat die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen und auch nach dem Weltkrieg neben anderen Entwicklungen überdauert: in Romanen der Arbeit, in Reportagen oder Kriegserlebnisbüchern.
Außer dem Roman Der Tunnel (1913) von Bernhard Kellermann und den Romanen von Hans Fallada sind in diesem Zusammenhang auch die großen Zeitromane von H. Böll zu nennen. (Justová, 1998)