FRANZ KAFKA
FRANZ KAFKA *1883 +1924
Ganz der Gestalltung des inneren Lebens diente F.K. Er wurde wie Rilke und Werfel in Prag geboren und gehört auch wesensmässig zu diesen weltanschaulich und religiös bewegten Dichtern. Ihn belastete, der ihn innerlich wiederstrebende Beruf als Angestellter einer Versicherungskanzlei. Er erkrankte an Tuberkulose und starb nach Jahren daran.
Zu Lebzeiten veröffentlichte er wenig. Er bestimmte in seinem Testament man solle seinen literarischen Nachlass ungelesen verbrennen. Sein Freund Max Brod veröffentlichte ihn trotzdem. Er gab nach 1925 einzelne Werke, 1935-1937 eine 6. Bändige Auswahl und 1937 eine Biographie Kafkas heraus.
Die Stellung des Menschen in der Wirklichkeit verdeutlicht Kafka durch eine kleine Fabel: “Ach”, sagte die Maus. “Die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, dass ich Angst hatte, ich lief und war glücklich, dass ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, dass ich schon im letzten Zimmer bin und dort im Zimmer steht die Falle, in die ich laufe”. “Du musst nur die Laufrichtung ändern”, sagte die Katze und frass sie. Der Mensch lebt also in fataler Auswegslosigkeit, für die K. in seinen Romanen und Erzählungen Sinnbilder schafft.
Er schreibt mit nüchterner Exaktheit als sei er Reporter, gestalltet aber überrealistische Vorgänge, die nur Zeichen für einen Bedeutungsgehalt sind. In dem Roman ”Das Schloss” ist ein Mann Namens K. (Kafka) angeblich zu Vermessungsarbeiten in einem Schlosshof gerufen worden. Doch als er ankommt weiss niemand Bescheid, ja man ist befremdet. Es liegen zwar Daten vor, dass man ihn gerufen habe, er wird auch nicht vertrieben, aber er kommt mit seinen Bemühungen in Schloss und dazugehörigen Dorf sein Amt anzutreten nicht voran. Eher er sein Ziel erreicht hat, stirbt er.
In dem Roman ”Der Prozess” wird der Bankprokurist K. eines morgens aus dem Bett heraus verhaftet. Er bemüht sich Grund und Ziel gegen ihn geführten Prozesses zu erfahren, doch vergeblich. Er kommt über die Vorinstanzen des Gerichtshofs nicht hinaus, er erfährt nur, dass Verfahren gegen ihn weiter verläuft und dass seit Jahren das Gericht keinen Angeklagten frei gesprochen habe. Am Schluss wird er von einem anonymen Hinrichtungskommando umgebracht und stirbt wie ein Hund. Grund, Sinn und Ziel dieser Menschensituation blieben bei Kafka ungeklärt, soviel auch seine Tagebucheintragungen darum kreisen. Der Ausdeutung sind dadurch Tor und Tür geöffnet.
K. war Jude und beschäftigte sich seit 1911 intensiv mit der judischen Literatur und der Geschichte des judischen Volkes. Eine letzte Liebeserfüllung fand er durch Dora Dymant, die einer angesehenen ostjudischen Familie entstamte.
Er ist kein Mystiker, kein Panteist, kein Romantiker. Seine Menschen erlösen nicht ihr “ich” in das Aal. Sie stehen viel mehr vor höheren Instanzen, so wie der Jude vor Gott, vor seinem Richter steht. Doch höllt sich dieser religiöser Bezug im Dunkel, Sinn und Erfühlung lassen sich nicht mehr erfahren.
Der Landvermesser K. sucht zu der letzten Instanz vorzudringen um durch sie den Auftrag und das Lebensrecht in dieser Welt zu erhalten, aber es gelingt ihm nicht. Dem Bankprokuristen K. wird durch diese Instanz der Prozess gemacht, doch nur so, dass er blind und lösungslos, das Opfer wird. Dieser Prozess scheint sich aus der Beschaffenheit des Menschens zu ergeben, der bis dahin über die Durchschnittlichkeit seines Lebens nicht hinausgeblickt hat. Er ist nicht das, was er vor diesen letzten Instanz sein müsste.
In der Erzählung ”Die Verwandlung” findet sich ein Mann als er morgens erwacht in einen Käfer verwandelt. Das Bild deutet darauf hin, dass diesem Mann die eigentlich menschliche Beschaffenheit fehlt, dass er seinem Wesen nach, den tierischen zugehört. In dem K. den Menschen in seiner grundsätzlichen Unzulänglichkeit aufdeckt, ruft er zu Überwindung dieses Menschen auf, doch kann er das Erlösende weder zeigen noch vollziehen. Er zeigt nur den Menschen, der Gott verloren hat, nur den Menschen in seiner Verlorenheit und Nichtigkeit. Dies entspricht dem überlieferten judischen Bild vom Menschen. Doch man sieht keine Erlösung des Menschen in Gott. Gott ist nur noch da als der Richter im Hintergrund, als die Macht, die über den Menschen das Verdammungsurteil spricht. Der Mensch gewinnt kein Zugang zu dem Schloss, das Paradies sein könnte und er wird nur in der Folge eines anonymen Prozesses likvidiert.
K.-s Menschenbild ist, wenn man annimmt ihn richtig verstanden zu haben, pessimistisch, ja nihilistisch. Damit steht K. in seiner Zeit nicht allein, sondern in einer ziemlich breiten literarischen Bewegung. Sie äussert sich entweder in der nihilistischen Bestimmtheit des literarischen Menschens, also in der Lyrik oder im kritischen Blick an die Menschen in seiner Zeit, das geschieht im Drama.
K. selbst hat nur 6 Publikationen, darunter das unter dem Titel ”Der Heizer” /1913/ erschienen erste Kapitel des Romans ”Der Verschollene” und andere Erzählungen in Buchform herausgegeben. Dem Roman Der Verschollene hat er eigenmächtig den Titel ”Amerika” gegeben.
Fast von gleicher literarischen Bedeutung, wie K. Erzählungen und Romane, sind seine ebenfalls posthum (nach dem Tod) publizierten Tagebücher, seine Briefe, bemerkenswert die ”Briefe an Milena” eine tschechische Kafkaübersetzerin und die erst 1967 publizierten ”Briefe an Felice”, die zeitweilig mit dem Autor verlobt war und bis zu einen gewissen Grad auch die von Gustav Janov aufgezeichneten ”Gespräche mit Kafka” /1951/. Die Erzählung in der Strafkolonie entstand zur gleichen Zeit wie der Prozess. Hier wird jenes System , in dem der Verurteilte wie im Prozess das Urteil noch nicht einmal erfährt, sondern nach dem Grundsatz, die Schuld ist immer zweifellos, zu Tode gemartert wird, der inzwischen historisch überwundenen Epoche des alten Komandanten zugeschrieben.
Denoch sieht K. nicht wieviele Expressionisten den befreiten Menschen, der das Zeitalter der Unterdrückung und Ausbeutung ablöst. K. erzählt stets einsinnig nicht nur in der Ich-Form, sondern auch in der 3. Person. Alle Empfindungen, Gedanken und Beobachtungen sind das Eigentum des jeweiligen “Helden”. Nichts wird in seiner Abwesenheit erzählt. Aller Aussenraum ist zugleich Innenraum, wie das Geschehen ist auch diese einzige Perspektive für den Leser unausweichlich. Es ist eigentlich immer dieselbe Perspektive, die von Kafka, Joseph K. in Prozess und K. der Landvermesser im Schloss, kürzen K.-s eigenen Namen ab, verkleinern ihn zu Kunstnamen.
K.-s Hauptfiguren unterscheiden sich in der Atmosphäre und Psychologie kaum voneinander. Sie sind im Grunde genommen nur eine Figur Franz Kafka, Kafkas Träume. Allerdings keine Träume, die nur ihn persönlich etwas angehen. Mit seinen Träumen, die er sozusagen schamlos mitteilt, hat Kafka zur Selbsterkenntnis eines ganzen Jahrhundert beigetragen.
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