Expressionismus /1910 – 1925/

Expressionismus /1910 – 1925/
Der Begriff "Expressionismus" wurde zuerst für die bildende Kunst verwendet.
Er kennzeichnete eine Richtung, die sich vom Realismus und Impressionismus abgrenzte,
die statt „Eindruckskunst“ eine „Ausdruckskunst“ sein wollte. Expressionismus ist von Lateinischen "expressio" = Ausdruck abgeleitet.
In der Literatur dagegen verstand man darunter, dass man sich von der naturalistischen Nachahmung und von der äußeren Bilderwelt löst. Der Künstler sollte selbst eine andere Welt entwerfen, die nicht mit der Welt der Väter übereinstimmend war, deshalb wollte man auch eine neue Sprache entwickeln, die sich nicht mehr an überlieferte Konventionen (Übereinkunft, Abkommen,Vertrag) hielt.
Zu Beginn richtete sich die expressionistische Bewegung noch gegen die großbürgerliche Gesellschaftsordnung des Kaiserreichs. Doch die expressionistische Bewegung wandelte sich zu einer radikal-pazifistischen Alternative wegen der Materialschlachten im ersten Weltkrieg. In den schwärmerischen Aufrufen vieler Expressionisten zu moralischer Erneuerung, zu Mitmenschlichkeit dokumentiert sich für die Nachwelt der verzweifelte Versuch, die Anonymität der modernen Massengesellschaft zu durchbrechen. Typisch für die expressionistische Dramatik ist das Verkündigungsdrama. Sein Ziel ist der „neue Mensch“ , die Veränderung der Gesellschaft. Auch wenn sich die Ereignisse nicht geändert haben, setzten sich die Expressionisten mit ihren Appellen zum solidarischen Handeln.
Der historische Hintergrund
Die "Ausdruckskunst" wurde in eine Zeit von großen Ereignissen, Turbulenzen und vor allem in die Zeit bzw. Vorzeit der Weltkriege hineingeboren. Unter Wilhelm II. erlebte Deutschland eine unruhige Zeit. Auf der einen Seite stand seine Vernachlässigung innenpolitischer und sozialer Probleme, auf der anderen Seite die verstärkte Militarisierung und die turbulente Außenpolitik. Dem Dreibund Deutschlands mit Italien und Österreich-Ungarn standen zum einen der Pakt Russlands mit Frankreich, zum anderen die sogenannte "Entente cordiale" Frankreichs mit Großbritannien. Als sich dann Deutschland nach der Ermordung des österreichischen Thronfolgepaares in den kritischen Konflikt "verhedderte", sah sich Deutschland schließlich auch beim dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs umgeben von Gegnern. Nach schweren Kriegsjahren waren die politischen und wirtschaftlichen Probleme Deutschlands noch lange nicht ausgestanden. Der "Vertrag von Versailles" 1919 mit Forderungen an die Weimarer Republik war ein erneuter Rückschlag. Die Gebietsabtretungen, der Verlust des Auslandsvermögens und die Wiedergutmachungszahlungen stürzten die Wirtschaft in ein tiefes Loch. So sah man sich 1923 mit der Inflation, die das Vertrauen der Bürger in den Staat schwer erschütterte, an einem neuen Tiefpunkt angelangt. Immer schwieriger wurde es nun auch, eine Mehrheit bei der Regierungsbildung zu finden, da das Parlament immer weiter zersplitterte.
Lyrik
Vertreter sind Autoren wie G. Heym, F. Werfel, G. Benn, Else Lasker-Schüler, Ernst Stadler, G. Trakl. Die typischen Themen- und Motivkomplexe sind Angst, Tod, Wahnsinn, Melancholie, Krieg. Ähnlich wie in der Malerei die Künstler ihre Emotionalität, ihren seelischen Ausdruck in neue vereinfachte Formen, grelle Farben kleiden und verfremden, so bedienen sich die Literaten neuer sprachlicher Mittel. Die Sprache ist oftmals voll von Neologismen /neugeschaffene Wörter, die neue Begriffe bezeichnen/ und erscheint in ungewohnten Rhythmen. Für den Leser entsteht eine unwirkliche Welt, doch geht es dem expressionistischen Autor eben nicht um die Wirklichkeit, sondern um die Wahrheit, die er vermitteln will.
Epik
Die erzählende Dichtung tritt im Expressionismus zunächst etwas in den Hintergrund: Die Dichter lehnen die Psychologie und Kausalität zur Erklärung von Menschen und Welt ab.
Während des Ersten Weltkriegs wird die erzählende kurze Prosa dann wichtiger. Eines der Hauptmotive ist "Der jüngste Tag". Zu den wichtigen Autoren zählen A. Ehrenstein ("Tubusch"), A. Döblin ("Die Ermordung einer Butterblume"), G. Heym ("Der Dieb"), F. Kafka ("Der Heizer", "Die Verwandlung", "Das Urteil)
Dramatik
Im Drama können expressionistische Dichter ihre Ideen der Wandlung und Steigerung wirkungsvoll demonstrieren. Daher übernimmt es neben der Lyrik eine beherrschende Rolle. Auf der Bühne wird zunächst die Geburt des neuen, gewandelten Menschen dargestellt. Hauptvertreter sind R.J. Sorge ("Der Bettler"), W. Hasenclever ("Der Sohn", "Menschen"), Kornfeld ("Die Verführung"), H. Johst ("Der junge Mensch"), u. a. Typisch für das expressionistische Drama sind nicht nur lange Monologe, lyrisch-hymnische Bilderfolgen, sondern auch Gebärde, Tanz, Pantomime, zeitloses Kostüm, abstraktes Bühnenbild und eine neue Beleuchtungstechnik. Es geht nicht mehr um Charakter, sondern um "Seele" oder "Psyche", die Figuren erscheinen weit gehend als überindividuelle Typen ("Mann", "Frau", "Tochter" ...) und totale Ich-Projektionen.
Merkmale der expressionistischen Literatur:
Gemeinsam ist den Autoren eine naive und wirklichkeitsfremde Einstellung zur Politik, sie stellen utopische und irrationale Forderungen.
Die expressionistischen Autoren wachsen in einer Umbruchsituation auf, eine Nation wandelt sich aus einer agrarisch dominierten zur Industrienation. Die Schriftsteller stammen alle aus bürgerlich-intellektuellen Kreisen, sie besuchen Gymnasium und Universität.
Sie lehnen die naturwissenschaftlichen Errungenschaften des 19. Jahrhunderts, wie Naturalismus, Realismus, Logik, Psychologie, Staat, Bürgertum, Technik, ältere Generation ab.
In der Dichtung geht es weniger um subjektives Erleben, sondern um ein Wissen um Leid und Not, um Mitleid mit allen, die in Bedrängnis sind. Die Lyrik war Anklage, Aufruf, Verkündigung.
Sie beabsichtigen einen neuen Menschen, eine neue Generation zu schaffen, Menschlichkeit, Frieden und Versöhnung.