E. M. Remarque – Drei Kameraden
E. M. Remarque – Drei Kameraden
Inhaltszusammenfassung
Der Ich-Erzähler Robby Lohkamp lebt nach dem Ersten Weltkrieg in Berlin. Die Stadt ist geprägt von den goldenen 20er Jahren einerseits, mit viel Lebensfreude und einem Sinn für das Amüsement, und von der Inflation, Armut und politischem Chaos andererseits.
Lohkamp ist zur Zeit seiner Erzählung dreißig Jahre alt und gehört somit zur verlorenen Generation. Schon mit achtzehn Jahren wurde er Rekrut und ein Jahr später stand er mitten im brutalen und unmenschlichen Kriegsgeschehen. Diese Zeit hat seine Jugend zerstört und ihn wertlos und unbrauchbar für die Nachkriegszeit gemacht.
Er gibt jedoch nicht auf und versucht seine Krise, die prototypisch für die gesamte Generation ist, individuell zu lösen. Seinen verlorenen Posten im Krieg ersetzt er durch seine Vorstellung nun Soldat in der Armee des Lebens zu sein.
Sein Schicksal teilt er mit den beiden ehemaligen Kriegskameraden Lenz und Köster. Gemeinsam eröffnen sie eine Auto-Reparatur-Werkstatt. Zunächst läuft diese sehr erfolgreich, später muss sie jedoch wegen mangelnder Kundschaft geschlossen werden.
Auch im Privaten gehen die drei Freunde durch dick und dünn und versuchen die Fronterlebnisse, bei denen es um das nackte Überleben ging, gemeinsam zu besiegen. Ihre neue Lebenseinstellung nach dem Krieg und insbesondere der Alkohol hilft ihnen dabei. Die Bar wird zum wichtigen Lebensmittelpunkt, und der Rum hilft ihnen die traurige Realität zu durchbrechen.
Doch dann lernt Robby die Offizierstochter Pat kennen, und ihre Liebe gestaltet sich trotz der schlechten Verhältnisse und der vielen elendig dahinlebenden Menschen in ihrer Umgebung positiv. Ihre Liebe ist intensiv und schon bald wird Pat in den Kreis der drei Kameraden aufgenommen. Robby und Pat sind sich schnell einig, dass ihre Liebe das einzig sinnvolle, wahre und große in ihrem Leben ist. Sie trösten einander hinweg über die Sinnlosigkeit und die Vergänglichkeit des Lebens und stimmen darin überein, dass sie die Welt anders geschaffen hätten.
Das Gefühl der Vergänglichkeit und des Sterbenmüssens äußert sich besonders stark in der Ermordung von Lenz. Der politische Mord, begangen durch eine SA-Bande, zieht Rache nach sich. Die verbleibenden Kameraden töten die Mörder und Mitarbeiter des bedrohlichen Systems und sorgen selbst für eine angemessene Todesfeier für ihren Freund.
Doch auch die großartige und starke Liebe zwischen Robby und Pat soll nicht von langer Dauer sein, denn Pat kämpft bereits gegen den Tod. Durch einen Blutsturz und Erstickungsanfälle kündigt sich ihr naher Tod an. Sie verstirbt zur Trauer von Robby und lässt ihn in einem offenen Ende traurig und leer zurück.
Auszüge
Ich saß ziemlich lange und dachte an allerlei Dinge. Auch daran, wie wir damals zurückgekommen waren aus dem Kriege, jung, ohne Glauben, wie Bergleute aus einem eingestürzten Schacht. Wir hatten marschieren wollen gegen die Lüge, die Ichsucht, die Gier, die Trägheit des Herzens, die all das verschuldet hatten, was hinter uns lag – wir waren hart gewesen , ohne anderes Vertrauen als das zu dem Kameraden neben uns und das eine andere, das nie getrogen hatte: zu den Dingen – zu Himmel, Tabak, Baum und Brot und Erde -; aber was war daraus geworden? Alles war zusammengebrochen, verfälscht und vergessen. Und wer nicht vergessen konnte, dem blieben nur die Ohnmacht, die Verzweifelung, die Gleichgültigkeit und der Schnaps. Die Zeit der großen Menschen- und Männerträume war vorbei. Die Betriebsamen triumphierten. Die Korruption. Das Elend. (Kapitel IV)
„Nein“, sagte Lenz. „Wirf dein Grammophon ´raus und bring größere Gläser. Und dann mach die Hälfte von dem Licht aus, stell ein paar Flaschen her und verschwinde in deinem Büro nebenan.“
Fred nickte und knipste die Deckenbeleuchtung aus. Nur noch die kleinen Lampen mit den Pergamentschirmen aus alten Landkarten brannten. Lenz füllte die Gläser. „Prost, Kinder! Weil wir leben! Weil wir atmen! Weil wir das Leben so stark empfinden, dass wir nichts mehr damit anzufangen wissen!“
„So ist es“, sagte Ferdinand. „Nur der Unglückliche kennt das Glück. Der Glückliche ist ein Mannequin des Lebensgefühls. Er führt es nur vor; er besitzt es nicht. Licht leuchtet nicht im Licht; es leuchtet im Dunkel. Prost auf das Dunkel. Wer einmal im Gewitter gewesen ist, kann mit einer Elektrisiermaschine nichts mehr anfangen. Verflucht sei das Gewitter! Gesegnet sei unser bisschen Leben! Und weil wir es lieben, wollen wir es nicht auf Zinsen legen! Wir wollen es kaputtmachen! Trinkt, Kinder! Es gibt Sterne, die jede Nacht noch leuchten, obwohl sie schon vor zehntausend Lichtjahren zerplatzt sind. Trinkt, solange es noch Zeit ist! Es lebe das Unglück! Es lebe das Dunkel!“
Er schenkte sich ein Wasserglas voll Kognak ein und trank es aus. (Kapitel XXII)
Sie sah mich eine Zeitlang an. „Wenn man so liegt, denkt man über manches nach. Und vieles kommt einem sonderbar vor, was man sonst gar nicht beachtet. Weißt du, was ich jetzt nicht mehr verstehen kann? Dass man sich so liebt wie wir und dass trotzdem einer stirbt.“
„Sei still“, sagte ich. „Einer muss immer zuerst sterben, immer im Leben. Aber so weit sind wir lange noch nicht.“
„Man dürfte nur sterben, wenn man allein ist. Oder wenn man sich hasst – aber nicht, wenn man sich liebt.“
Ich zwang mich zu einem Lächeln. „Ja, Pat“, sagte ich und nahm ihre heißen Hände in meine, „wenn wir die Welt machen würden, würde sie besser aussehen, was?“
Sie nickte. „Ja, Liebling. Wir würden solche Sachen nicht zulassen. Wenn man nur wüsste, was dahinter ist. Glaubst du, dass es weitergeht, nachher?“
„Ja“, erwiderte ich. „ Es ist so schlecht gemacht, dass es nicht zu Ende sein kann.“
Sie lächelte. „Das ist auch ein Grund. Aber findest du das auch schlecht gemacht?“ Sie zeigte auf einen Busch gelber Rosen neben ihrem Bett.
„Das ist es ja gerade“, erwiderte ich. „Die Einzelheiten sind wunderbar, aber das ganze hat keinen Sinn. Als wenn es von einem gemacht ist, dem auf die wunderbare Vielfalt des Lebens nichts anderes eingefallen ist, als es wieder zu vernichten.“
„Und es wieder neu zu machen“, sagte Pat.
„Auch da sehe ich den Sinn nicht“, erwiderte ich. „Besser ist es dadurch bis heute nicht geworden.“
„Doch Liebling“, sagte Pat, „mit uns, das hat er schon gut gemacht. Besser ging`s gar nicht. Nur zu kurz. Viel zu kurz.“ (Kapitel XXVIII)
Kontext/Analyse
Der Roman Drei Kameraden wurde 1936 von Erich Maria Remarque im Exil fertiggestellt und ist seiner ersten Frau Ilse Jutta Remarque-Zambona gewidmet. Er entspricht bis auf wenige Veränderungen der bis 1933 ausgearbeiteten Erstfassung Pat und gehört zu einer Trilogie. Nach Im Westen nichts Neues und Der Weg zurück reiht der Roman Drei Kameraden sich in eine Folge von vergleichbaren Schicksalsbeschreibungen ein. Die männlichen Hauptfiguren der drei Romane durchleiden ein ähnliches Nachkriegsschicksal und versuchen alle drei diese Krise individuell auf ihre Weise zu lösen. Eine kollektive Lösung erschien Remarque wohl zu utopisch und so zeigt er in Drei Kameraden den sozioökonomischen Zustand des Landes, sowie den seelischen Zustand der Nachkriegsgeneration. Den absolut unmenschlichen Krieg und seine Folgen schildert Remarque in diesem Zusammenhang als Lebenskatastrophe und analysiert daran die zerbrochene Psyche des Individuums und die eines ganzen Volkes zugleich.
Der Roman fragt nach dem „Warum?“ von Leben und Tod und nach dem Sinn des Lebens in dieser schweren Zeit. Remarque stellt zur Verdeutlichung dieser Thematik der beängstigenden politischen Situation eine starke und erfüllte Liebe gegenüber. Die besonders in dieser Zeit utopische Liebe zwischen Robby und Pat ist geprägt von Mitgefühl und Verständnis, schon allein deshalb wurde Drei Kameraden als die beste Liebesgeschichte Remarques gefeiert. Die beiden Liebenden entgehen der Bürgerlichkeit mit all ihren Lebenszielen und führen ihr Leben ohne höheren Zweck. Sie genießen gemeinsam die kleinen Dinge des Alltags und trotzen als Anhänger des „Orden(s) der Erfolglosen“ dem Leben, das für sie ohne Dauer, ohne Plan und ohne Zukunft ist.
Das politische Thema des Romans hingegen beschäftigt sich mit dem aufkommenden Faschismus in Deutschland. Während Remarque im schweizer Exil den Roman überarbeitete, ergriffen die Nazis in Deutschland die Macht und Remarque erahnte bereits die Folgen. Allein schon aus diesem Grund konnte der Roman nicht in Deutschland veröffentlicht werden. In den USA, in England, Argentinien und in einigen nordischen Ländern wurde er hingegen schon 1937 herausgegeben und bekam besonders in Amerika und England hervorragende Kritiken. Zwischen 1938 und 1941 folgten eine französische, eine brasilianische und eine türkische Fassung. Eine deutsche Ausgabe wurde 1938 im Exil-Verlag Querido gedruckt, sie wurde jedoch kaum von deutschen Rezipienten gelesen. Besonders lobend hervorgehoben wurden in ausländischen Rezensionen Remarques Talent die Zeitgeschichte authentisch und für Nicht-Deutsche zugänglich zu erfassen, sowie eine glaubwürdige Liebesgeschichte in diese Zeit zu setzen.
Drei Kameraden wurde als Zeitroman der Neuen Sachlichkeit wegen seiner unmittelbaren Sprache, sowie seiner zeitlichen und faktischen Authentizität gelobt. Schlechte Kritiken wurden nur vereinzelt laut, so zum Beispiel im Juli-Heft der marxistischen Moskauer Exil-Zeitschrift von 1938 Das Wort. Die Kritik, verfasst von Heinrich Werth, bemängelt die literarische Qualität von Remarques neuem Roman und wirft ihm einem „peinlichen Gesamteindruck“, sowie „billige [...] Effekthascherei“ vor. Erst 1951 wurde der Roman Drei Kameraden in Deutschland veröffentlicht und erntete sofort schlechte Kritiken. Die Verdrängung des Faschismus und die Trauer über die große Niederlage 1945 hinderten die deutschen Leser einen Zugang zu Remarques Werk zu finden. Im russischsprachigen Raum wurde hingegen durch die erste Veröffentlichung 1958 große Begeisterung ausgelöst. In sozialistischen Ländern avancierte der Roman schnell zum Kultbuch der Jugend und ist es bis heute. Besonders die starke Kameradschaft und Liebe, die die schlechten Zeiten leichter erscheinen lässt, fesselte ganze Generationen der dortigen Leser