Drei Wünsche
Drei Wünsche
(J. P. Hebel)
Ein junges Ehepaar lebte recht froh und glücklich zusam¬men. Es hatte nur einen Fehler, der in jedem Menschen zu Hause ist: Wenn man es gut hat, hätte man es gern besser.
Aus diesem Fehler entstehen so viele unkluge Wünsche, die unserem Hans und seiner Lise auch nicht fehlten.
Bald wünschten sie sich das Feld des Bürgermeisters, bald das Geld des Löwenwirts, bald des Meiers Haus und Hof und Vieh (dobytok), bald einmal hunderttausend Millionen Taler (Toliar).
Eines Abends aber, als sie friedlich am Ofen saßen, kam durch die Zimmertür eine kleine weiße Frau herein, nicht einmal einen Meter groß, aber wunderschön, und das ganze Zimmer war voll Rosenduft. Das Licht ging aus, aber ein heller Schein wie Morgenrot, wenn die Sonne nicht mehr fern ist, strahlte von der kleinen Frau aus und fiel auf alle Wände.
Über so etwas kann man nun doch ein wenig erschrecken, so schön es auch aussieht. Aber unser gutes Ehepaar erholte sich bald wieder von seinem Schreck. Denn das Fräulein sprach mit süßer reiner Stimme: „Ich bin eine Freundin, die Bergfee, die in einem Schloss mitten in den Bergen wohnt. Drei Wünsche dürft ihr tun; drei Wünsche sollen erfüllt werden.“
Hans drückte den Arm an den Arm seiner Frau, als ob er sagen wollte: Das ist nicht schlecht. Seine Frau aber war schon dabei, den Mund zu öffnen und etwas von ein paar goldgestickten Hüten, seidenen Halstüchern und ähnlichem zu sagen, als die Bergfee warnend den Zeigefinger hob: „Acht Tage lang,“ sagte sie, „habt ihr Zeit. Denkt gut nach, in Ruhe.“
So muss es sein, dachte der Mann und legte seiner Frau die Hand auf den Mund. Die Bergfee verschwand. Die Lampe brannte wie vorher und kein Rosenduft war mehr in der Stube (izba).
So glücklich nun unsere guten Leute jetzt schon waren, so ging es ihnen doch auch schlecht. Denn soviele Wünsche hatten sie, daß sie nicht wußten, was sie wünschen sollten. Auch hatten sie nicht den Mut, wirklich daran zu denken oder davon zu sprechen. Sie fürchteten, das Gesagte würde als Wunsch erfüllt werden, bevor sie genug nachgedacht hatten. Nun sagte die Frau: ,,Wir haben ja noch Zeit bis zum Freitag."
Am nächsten Abend, als die Kartoffeln zum Abendessen auf dem Ofen brieten, standen beide, Mann und Frau, fröhlich vor dem Feuer und sahen zu, wie die Flammen unter der Bratpfanne lustig hin- und hergingen. Sie dach¬ten, ohne ein Wort zu reden, an ihr zukünftiges Glück
Als Lise aber die Kartoffeln aus der Pfanne auf die Teller gab, und es roch so gut: „Wenn wir jetzt nur ein gebratenes Würstlein dazu hätten," sagte sie einfach so hin und ohne an die Bergfee zu denken und - o weh, da war der erste Wunsch getan.
Schnell wie ein Blitz kommt und wieder geht, so kam es wieder wie Morgenrot und Rosenduft durch den Kamin herab, und auf den Kartoffeln lag die schönste Bratwurst.
Wie gewünscht, so geschehen.
Wer sollte sich über einen solchen Wunsch und seine Erfüllung nicht ärgern? Welcher Mann sollte bei solcher Unvorsichtigkeit seiner Frau nicht böse werden?
„Wenn dir doch nur die Wurst an der Nase angewachsen wäre," sprach .Hans in der ersten Überraschung, auch ein¬fach so und ohne an etwas anderes zu denken.
Und wie gewünscht, so geschehen.
Kaum war das letzte Wort gesprochen, so saß die Wurst an der Nase der guten Frau fest und hing an beiden Seiten herab.
Nun war die Not der armen Eheleute erst recht groß. Zwei Wünsche waren getan und vorbei, und noch waren sie um nichts reicher, nur um eine böse Bratwurst. Noch war ein Wunsch zwar übrig. Aber was half nun aller Reichtum und alles Glück, wenn die Frau so eine Wurst an der Nase hängen hatte? Es blieb nichts anderes übrig als die Bergfee zu bitten, die Wurst von der Nase abzunehmen.
Wie gebeten, so geschehen.
Und so war der dritte Wunsch auch vorbei, und die armen Eheleute sahen einander an, waren derselbe Hans und dieselbe Lise nachher wie vorher, und die schöne Bergfee kam niemals wieder.