Deutsche Literatur 36
Exilzeit
Die Machtübernahme der Nazis zwingt ihn zur sofortigen Flucht aus Deutschland, zunächst nach Prag, nach Wien und Paris und dann nach Dänemark, wo er mit seiner Familie lebt.
Er stellt seine Produktion ganz auf den antifaschistischen Kampf ein.
Brecht wusste früh, dass Hitler Krieg bedeutete. Noch in Dänemark, ehe ihn der Krieg zwang, über Finnland und die Sowjetunion nach den USA zu fliehen,
In den Jahren des Exils entstand ein großer Teil seiner wichtigsten Werke, gleichzeitig zentrale Texte der Exilliteratur, darunter Drama: Leben des Galilei, das Antikriegsstück Mutter Courage und ihre Kinder, Parabelstücke: Der gute Mensch von Sezuan und Der Kaukasische Kreidekreis.
Spätwerke
Die Rückkehr nach Deutschland war selbstverständlich. Dort sah er sein Publikum aber auch seine Heimat und sein „Volk“.
Nach der Rückkehr aus seinem Exil in den USA gründete er 1949 in Ostdeutschland zusammen mit Helene Weigel die Theatergruppe: Berliner Ensemble.
Seine letzten Jahre gelten der praktischen Theaterarbeit im Berliner Ensemble.
Hier kamen v.a. die Brecht- Stücken zur Aufführung.
Brecht gehört mit seiner Auseinandersetzung sozialer Gerechtigkeit und Verantwortung des Einzelnen zu den modernen Klassiker.
Der Kaukasische Kreidekreis (1944/45, Uraufführung 1948)
Der Stoff des Kreidekreises übernimmt Brecht vom chinesischen Original. Nachweislich taugt die Geschichte der weisen Entscheidung für die wahre Mutter auch in der Bibel: der Schwert des Königs Salomon; in der buddhistischen Lebensgeschichte und im Koran.
Die 1. Fassung erfolgt Anfang Juni 1944. Die Zeit, in der das Vorspiel stattfindet, ist mit dem 7. Juni 1934 angegeben, rückt sie also aus dem aktuellen Bezug in die Zeit vor dem Krieg und macht so aus dem Stück ein geschichtliches Beispiel für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaftsordnung, die sich im gegenwärtigen Krieg als siegreich erweist und mögliches Vorbild für eine Neuordnung in Deutschland nach dem Krieg abgeben könnte.
Der Kaukasische Kreidekreis besteht, vom Vorspiel abgesehen, aus zwei Geschichten:
1. der Geschichte von der Magd Grusche mit dem Kind des Gouverneurs Michel,
2. der Geschichte vom Richter Azdak, der eigentlich Dorfschreiber, ein Intellektueller, ist. Beide Geschichten erzählt der Sänger nicht miteinander verknüpft, sondern nacheinander.
Es gibt noch eine weitere Zusammengehörigkeit der beiden Geschichten – die Zeit und ihre Ereignisse. Sie beginnt mit dem Sturz des Großfürsten und seiner Gouverneure, die ermordet werden. Der neue Herrscher, der fette Fürst, führt eine Scheindemokratie ein, um sich das Wohlwollen des Volkes zu sichern, kämpft zugleich aber gegen einen Volksaufstand.
Die Geschichte der Grusche ist zugleich die Geschichte des Kindes.
Die eigentliche Mutter des Kindes verlässt ihr Kind. Ihre Flucht zeigt, dass ihr die eigene Rettung wichtiger als die des Kindes ist. Sie hat als Mutter eine recht äußerliche Beziehung zum Kind. Grusche erhält Michel durch die Bitte der Kinderfrau, ihn einen Augenblick zu halten. Damit ist ihr eine Verantwortung für das Kind gegeben. Die Mutterschaft Grusches entsteht nicht aus mütterlichen Gefühlen für das Kind, sondern aus ihrer gemeinsamen Geschichte, aus der Geschichte ihrer Zusammengehörigkeit und ihrer gegenseitigen Abhängigkeit – wie das Kind von Grusches Hilfe abhängig ist, so wird sie immer mehr vom Kind abhängig.
Azdak ist eine volkstümliche kulinarische Gestalt. In einer chaotischen Zeit wird er zufälligerweise zum neuen Richter für zwei Jahre gewählt. Seine Anwendung des Kreidekreisverfahrens zeugt von seinem Gerechtigkeitssinn und er gibt der Grusche das Kind.
Azdak zeigt seine tiefe Menschlichkeit und Klugheit. Gleichzeitig kann man in dieser Figur einen lustigen, genussfreudigen und einfachen Dorfschreiber entdecken. Azdak urteilt zugunsten der armen Leute, aber er nimmt auch Schmiergelder von den reichen Leuten.
In diesem Werke wird das Motiv der Hände hervorgehoben. Grusche wird durch ihre Hände als Dienstmagd entdeckt; den Großfürsten verraten auch seine Hände – seine reinen Hände.
Die Geschichten von Grusche und Azdak werden vom Sänger erzählt und zugleich inszeniert.
Er ist absoluter Erzähler, Spielleiter, der die Geschichte von den Schauspielern spielen lässt.
Brecht führt hier die Möglichkeiten des Epischen Theaters vor. Neben den erwähnten Mitteln des Sängers/Erzählers und der Unterbrechung des Handlungsverlaufs durch die Rückblende auf die Geschichte des Azdak sind der Einsatz von Masken und die vielfältigen Spiele-im-Spiel zu erwähnen, wie etwa gestische Demonstrationen oder Pantomimen.