Deutsche Literatur 20

Friedrich Schiller : Kabale und Liebe


Personen:
Präsident von Walter – am Hof eines deutschen Fürsten
Ferdinand – sein Sohn, Major
Hofmarschall von Kalb
Lady Milford – Favoritin des Fürsten
Wurm – Haussekretär des Präsidenten
Miller – Stadtmusikant oder, wie man sie an einigen Orten nennt,
Kunstpfeifer
Dessen Frau
Luise – dessen Tochter
Sophie – Kammerjungfer der Lady
Ein Kammerdiener des Fürsten
Verschiedene Nebenfiguren
Kabale und Liebe - ein typisches Drama des Sturm und Drang

Friedrich Schiller, der im jungen Alter von 23 Jahren das Drama "Kabale und Liebe" schrieb, lebte und dichtete zur Zeit der Jugendbewegung Sturm und Drang. Dass sich daraus schließen lässt, dass es sich bei diesem Theaterstück wirklich um ein typisches Drama des Sturm und Drang handelt, wird im folgenden belegt.
Die Sturm-und-Drang-Periode, auch Geniezeit genannt, war in der Theorie ein beinahe revolutionäre Jugendbewegung. Daher wird in "Kabale und Liebe" vor allem die Jugend sehr betont, schon allein dadurch, dass die beiden Hauptcharaktere, Ferdinand und Luise beide als Jugendliche, Luise im Alter von 16 Jahren, dargestellt werden und dass gerade sie die Leitmotive des Sturm und Drang vertreten.
Eines der wichtigsten Kennzeichen des Sturm und Drang, das Thema der Liebe, wird im Stück auch vertreten: "Ich fürchte nichts - nichts - als die Grenzen deiner Liebe. Lass auch Grenzen wie Gebirge zwischen uns treten,..."
Ohne die vom Sturm und Drang erstrebte Gleichheit zwischen allen Bürgern wäre die Beziehung zwischen Ferdinand und Luise undenkbar. Da aber nur diese beiden Jugendlichen diese Gleichheit anerkennen, nicht aber ihre Eltern und die anderen älteren Charaktere, ist die Beziehung von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Der Gedanke der Gleichheit lässt überhaupt erst zu, dass in einer Tragödie (=Trauerspiel), die seit der Antike nur mit Göttern und Adligen als Hauptcharakteren besetzt wurde, erstmals bürgerliche Charaktere eine Rolle spielen.
Auch die Freiheit in jeder Hinsicht war für die Autoren der Geniezeit ein großes Ziel. So wurde zum Beispiel jeder Mensch, der nicht tolerant gegenüber Andersdenkenden war, oft als ein schlechter dargestellt. So wird auch der Präsident, der gegen Beziehungen zwischen Adligen und Bürgerlichen ist, als er von dem Liebesschwur zwischen seinem Sohn Ferdinand und Luise erfährt, "boshaft zu Luise.
Ebenso ist auch die Individualität des Einzelnen für diese Periode bedeutend. In "Kabale und Liebe" wird das vor allem an der Einstellung Ferdinands deutlich. Er will sich nicht nach den Plänen seines Vaters richten und Lady Milford heiraten, sondern lieber nach seinem eigenen Willen und Herzen Luise zur Frau nehmen: "Hier, Luise! Deine Hand ist die meinige.".
Dies zeigt auch, dass, ebenfalls typisch für den Sturm und Drang, Ferdinand gegen jegliche Art von Unterdrückung ist. So kann er auch den Erpressungsversuchen seines Vaters Lady Milford zu heiraten widerstehen: "Feierlich entsag ich meinem Erbe".
Vor allem der Kampf gegen politische Unterdrückung ist ein Gedanke dieser Zeit, der auch im Stück ausgedrückt wird. Als der Kammerdiener Lady Milford von der Abreise vieler Männer nach Amerika erzählt ("...und fragte den Obersten, wie teuer der Fürst das Joch des Menschen verkaufte?", "fällt sie mit Entsetzen in das Sofa".
Ein weiteres Leitmotiv dieser Epoche war die Natur und Natürlichkeit des Menschen. Dazu gehört auch der Gedanke, dass der Mensch nicht das Ergebnis genau geplanter Erziehung ist. Das ist wohl einer der deutlichsten Beweise dafür, dass es sich hier wirklich um ein Drama des Sturm und Drang handelt. Obwohl Ferdinand in seiner Kindheit von seinem Vater adlig erzogen wurde, widersetzt er sich nun mit der Beziehung und den Heiratsplänen mit Luise gegen die Sitten und Richtlinien des Adels.
Ebenfalls zur Natur des Menschen und damit zur Zeit des Sturm und Drang gehören die Gefühle. Sie sind in diesem Stück deutlich vertreten: "O wie sehr fürcht ich ihn diesen Vater." (Luise; I/4; S.15/ Z.15); "Meine Leidenschaft, Walter, weicht meiner Zärtlichkeit für Sie." (Lady; II/3; S.38/ Z.36f.). Auch Männer dürfen in dieser Epoche endlich ihre Gefühle zeigen: "Mein Vaterland ist, wo mich Luise liebt...." (Ferdinand; III/ 4; S.58/ Z.33ff.).
Die Gefühle ersetzen in der Geniezeit die ratio (=Vernunft). Sie wird aber nicht ganz verdrängt sondern bleibt an zweiter Stelle stehen: "Abgeschält von allen Pflichten - und Tränen - und Freuden. Abgeschält von der Vorsicht.".
Aus all diesen Punkten folgt, dass die Epoche des Sturm und Drang gegen den Absolutismus und die alten Denkweisen ist. Auch im Stück wehrt sich die Jugend immer wieder, einmal sogar bildlich mit Waffengewalt, gegen das Alte.

Auch anhand von Sprache und Stil läßt sich "Kabale und Liebe" als ein typisches Drama des Sturm und Drang deuten.
Im allgemeinen soll die Sprache des Sturm und Drang als Spiegel innerer Aufgewühltheit dienen. Also können die Sätze nicht genau geplant sein und somit auch nicht in Reimen stehen. Daher kommt es, dass das Drama Kabale und Liebe nicht in Versform sondern in Prosa geschrieben ist.
Im Satzbau fallen, weil die Charaktere oft überstürzt oder unüberlegt sprechen, Ellipsen ("Das deiner Luise, Ferdinand?"), Gedankenstriche ("Walter, das Wort noch und dann Geschieden - - Ein entsetzliches Schicksal hat die Sprache unserer Herzen verwirrt."), Interjektionen ("Ha!") und Ausrufezeichen ("Oh! Dass es so weit kommen musste!") auf. Außerdem ist der Satzbau in bedeutenden Szenen meist parataktisch und wirkt somit hektischer.
Ebenso kommen im Stück einige der Schlüsselbegriffe des Sturm und Drang, z.B. Herz und Liebe, gehäuft vor: "Mein Herz brannte nach einem Herzen"; "Lästern sie ihr eigenes Herz nicht"; "Du, Luise, ich und die Liebe".
Der bedeutende Schlüsselbegriff Natur kommt im Stück selbst kaum vor, dafür um so mehr Wörter aus dem Bereich der Natur, oft als Vergleiche oder Metaphern: "Komm in deiner ungeheuren Furchtbarkeit, Schlange; spring an mir auf, Wurm...".
Der Begriff Einsamkeit wird durch die vielen Monologe im Stück dargestellt.
Alle diese Dinge, vor allem der Inhalt des Stücks, beweisen also eindeutig, dass Kabale und Liebe von Friedrich Schiller tatsächlich ein typisches Drama des Sturm und Drang ist. Es ist Schiller damit recht gut gelungen, die Ziele dieser Jugendbewegung auf unterhaltsame Weise darzustellen, auch wenn uns der Inhalt heute als "ganz normal" erscheint.