Der Expressionismus, Gestalten und Werke

Der Expressionismus, Gestalten und Werke



GEORG HEYM *1887 +1912

Was G.H. an kritischer Selbstbeobachtung fehlt, das hat er diesem an visionärer Kraft vorausgewiesen. H. ist ein Priester des Schweckens, ein Visionär des grauen erregenden und Grotesken. Auch der Lyriker H. steht anfänglich noch im Bann des Symbolismus.
Aber sehr bald bringt sich dieser zornige junge Mann der gelegentlich aus Waschkannen trank, nachts Zäune und Schilder demolierte und in einer Boxschule Mitglied war, in schroffen Gegensatz nicht nur zur Konvention, sondern auch zur Poesie der Vätter. Vor allem aber rebelierte der junge H. gegen seinem Vater, der Staatsanwalt war, und seinen Sohn zur Jurastudium gezwungen hatte. H. verfluchte zugleich “den schweinernen Vatter, den elenden preußischen Dreckstaat und die juristische Scheisse”, wie man in seinen Tagebüchern nachlesen kann.
Im schlesischen Hirschberg geboren, wuchs er im Berlin auf, studierte in Wurzburg und wieder in Berlin. Nach dem Studium wollte er sich um Zulassung als Offizieranwärter bewerben. Auf Januar 1912 erhielt schließlich Einladung, sich bei einem Regiment beim Metz zur körperlichen Untersuchung einzufinden. Wenige Tage darauf ertrank er beim Eislaufen. Er hatte vergeblich versucht dem Dichter Ernst Balcke, seinem Freund, der eingebrochen war, zu helfen. H. war nicht bloß als Mensch von einer wilden Vitalität, auch seine Poesie ist drastisch und wuchtig zugleich realistisch und fantastisch.
1911 erscheint sein 1. Gedichtband ”Der ewige Tag”, der sich in vielen Versen der Wirklichkeit der Großstadt stellt, aber auch den Grauen vor Verfall und Tod überhaupt fast allen Varianten schockierender Hässlichkeit. Neben die Berlingedichte wie ”Der Gott der Stadt”, ”Die Demonen der Städte” treten empfindsamer Landschaftsgedichte und Beschwörungen verschiedener Grenzsituationen menschlicher Existenz wie Krankheit, Irrsinn, Gefangenschaft, Tod. Je älter er wurde, desto heftiger neigte H. zu schwarzen Visionen wie ein Gedicht ”Aus dem ewigem Tag” heißt. Die Ahnung einer bevorstehender Apokalypse einer kommenden Sinnflutepoche eines drohenden Untergangs, war eins der bevorzugten Themen jenes Dichterkreises in Berliner neuer Club zu dem neben H. auch Jakob van Hoddis, Ernst Blas und Kurt Hiller gehörten.
ELSE LASKER – SCHÜLER *1869 +1945

Mit Benn befreundet war E.L.-S., die aber künstlerisches Spiel und poetische Exthase nicht vom alltäglichen Leben zu trennen bereit war. Wie ein spielendes Kind ist sie in ihrer Dichtung die Schwester von Baum, Tier, Stein, Mond, Nacht, blaue exotische Ferne, die Nähe des Geliebten, Gott und der Kosmos, all das steht ihr nicht fremd gegenüber, wie den expressionistischen Vertretern der Lehre und Verzweiflung. Die Einigung der Welt, die Versöhnung der Menschen untereinander und mit Gott, ist die Botschaft ihrer Lieder, Dramen (”Die Wupper” /1909/) und Erzählungen. Sie schreibt die einzigen großen Liebesgeschichten, die im expressionistischen Bannkreis entstanden sind.
1905 erschien E.L.S.-s Gedichtband ”Der siebende Tag”, darin stand das Gedicht ”Weltende”, als Titel und Thema wegweisend für das expressionistische Bewusstsein, dennoch durch die Flucht in die heile Welt der Liebe, noch fern der wirklichen Zertrümmerung, fern auch dem Sarkasmus, mit dem später Hoddis sprach.
E.L.S. hat das Gewaltsame und Rigorose der expressionistischen Generation nie mitgemacht. Schon dadurch ist diese einzige Frau unter den 23 Dichtern der Menschheitsdämmerung immer eine Außenseiterin der Bewegung geblieben. Ihr Weltende verrät gleichvoll Züge der typischen Expressionisten, düsteren Untergehensvisionen. Über 300 Gedichte hat E.L.S. hinterlassen. Ein großer poetischer Schatz der völlig zu Unrecht lange Jahre ungehoben blieb, zu Gunsten der männlichen Generationsgenossen.

FRANZ WERFEL *1890 +1945

Der trager Kaufmannssohn F.W., während des Studiums in seiner Heimatstadt mit Kafka und Max Brod befreundet, lebte nach Jahren in Leipzig und München, ab 1917 in Wien, wo er mit Alma Mahler verheiratet war. Die Stadt- und Landschaftsmotive seiner Gedichte sind stark geprägt vom Lebensraum Österreich-Böhmen, wo auch die Mehrzahl seiner Erzählungen und ein Teil der Romane spielen.
Seine Zuwendung zu Mitmenschen signalisieren W. frühe Gedichtbände schon in Titel: ”Der Weltfreund” /1911/, ”Wir sind” /1913/ und ”Einander” /1915/.
Aber W.-s ”Revolutionsaufruf”, so heißt einst seiner frühen Gedichte, bläst nicht zur kommunistischen Sammlungsbewegung, er meint viel mehr eine Sinnflut der Seele und tritt gegen die alte elende Zeit. W.-s Aufruhr gegen das Alte hält schließlich an vielem Aleten fest, an Rhein, Strofe und geregeltem Metrum ebenso an der Religion. W. meinte mehr eine neue Innigkeit als eine soziale Revolution.
Nach den Romanen: ”Der veruntreute Himmel” /1939/ und ”Das Lied von Bernardette” /1941/ folgte der auf amerikanischem Schauplatz spielende Roman ”Stern-der Ungeborene” /1946/ W.-s nachgelassenes dichterisches Vermächtnis.


ERNST TOLLER *1893 +1939

Der, nach einem bewegtem Leben, er agitiert für den Streik der Münchner Munitionsarbeiter 1918 wird nach der Novemberrevolution Vorsitzender der bayerischen Arbeiter, Bauer und Soldatenräter, wird 1919 zu 5 Jahren Festungshaft verurteilt, sich im amerikanischem Exil erhängte.
T.-s 1. Drama heißt ”Die Wandlung, das Ringen eines Menschen” /1919/. Das Stationendrama zeigt einen monologisierenden Helden, der nach einem Traum die innere Wandlung erfährt und diese durch den Aufruf zur Revolution auf die ganze Menschheit ausdehnen möchte. Ein Motiv, das auch in der Tragödie ”Masse, Mensch”, ein Stück aus der soz. Revolution des 20. Jhr. (1921) wiederkehrt. Sonja Irene L., die Heldin des Stückes, verkündet den Arbeitermassen Freiheit und Lebensrecht, muss aber bald erleben, wie die Arbeiter ihren Heilruf ”Masse ist Recht” in den Kampfruf ”Masse ist Macht ” verkehren und Strassen und Fabriken stürmen. Während die blutige Revolution rollt, nehmen Staatstruppen die Heldin gefangen. In einer Vision des 6. Bildes, das Stück ist in 7 Bildern gegliedert, sieht Sonja nacheinander den Staat, die stumpfe Masse, das Leben überhaupt und schließlich Gott als Schuldigen an ihrem Schicksal und dem Scheitern der Revolution. Im letzten Bild aber weißt sie alle Entlastungsmöglichkeiten von sich und lässt sich hinrichten. Ein Opfertod in Namen der Menschheit.



GEORG KAISER *1878 +1945

G. K.-s Drama ”Die Bürger von Calaise” /1914/ der ersten bedeutenden Arbeit des Autors nach frühen Versuchen, die noch Hoffmanns Tal und dann Wedekind nachempfunden sind. Das Stück geht auf die selbe Chronik aus dem 14. Jhr. zurück, die auch August Rodin zu seiner berühmten Plastik ”Die Bürger von Calaise” (1884-1886) angeregt hatte. Auch bei K. hatte die Verbrüderung soz. Dimensionen.
Die Arbeitsteilung der industriellen Gesellschaft, das Haupthindernis für solidarische Gemeinschaft, wird in der Trilogie ”Die Koralle” /1917/, Gas I. /1918/, Gas II. /1920/ zum Bild einer Gasfabrik verdichtet, die Industrie der ganzen Welt mit Energie beliefert. Diese Fabrik explodiert und der Unternehmer sieht das Heil der Arbeiter in der Rückkehr zur vorindustriellen Gesellschaft. Ackerland für jedermann und Arbeitersiedlungen sollen die Fabrik ersetzen. Doch die Arbeiter machen nicht mit. Sie wollen weiter Gas erzeugen, sie können gar nicht mehr anders als Arbeitsteilig zu funktionieren. Dabei bleibt die eigentliche Botschaft, der neue Mensch einer neuen durch Opfermut solidarische Gemeinschaft, seltsam wage.
Spazierer, der in dem Drama ”Hölle, Weg, Ende” /1919/ mit seinem kompromisslosen Willen zur Rettung eines Menschen, die ganze auf Egoismus aufgebaute Zivilisation durcheinander wirbelt, ist weder eine erweckerte Gestalt.
K. war vor 1933 neben Gerhard Hauptmann der meist gespielte Autor des deutschen Theaters. Von seiner reichen dramatischen Produktion müssen noch die Stücke genannt werden:
”Europa” /1915/
”Der Brand im Opernhaus” /1919/
”Der geretete Alkibiades” /1920/
”Oktobertag” /1928/
”Die Lederköpfe” /1928/
sowie die letzten griechischen Dramen:
”Pygmalion”, ”Zweimal Amphitrion”, ”Bellerofon” /1948/.
K. floh 1938 ins Schweizerexil, wo er fast mittellos starb.