Deine Wimpern, die langen- Interpretation
Deine Wimpern, die langen
Georg Heym verfasste dieses Liebesgedicht vermütlich im Jahr 1911. In diesem Jahr nämlich, im Sommer lernte er Hildegard Krohn (siehe Anhang) kennen und verliebte sich in sie. Aus dem Titel des Gedichts lässt sich erschließen, dass Hildegard den jungen Heym mit ihren langen Wimpern sehr bezaubert haben musste, da er solchen Titel für sein Gedicht wählte.
Zu Beginn der ersten Strophe werden „die langen Wimpern“ der Geliebten vom lyrischen Ich nochmals erwähnt. Es beschreibt sie als „dunkele Wasser“ ihrer Augen. Das Bild der Tiefe wird lebendig als Wasser. Doch die dunkle Farbe des Wasser deutet ehe an etwas Trauriges oder Vergebliches. Die Liebe erhellt meist unseres Leben und die meisten Menschen erwarten etwas Positives davon. Der Expressionist Georg Heym schuf sich jedoch seine eigene Bild- und Sprachwelt, in der er sein Inneres sprechen ließ. Seine außerordentliche Liebeserklärung, wo sich das lyrische Ich nach der Tiefe der Liebe sehnt, scheint von derer großen Heftigkeit zu zeugen. Empfindet das lyrische Ich die Geliebte als unerreichbar, unrealistisch?
Die zweite Strophe kommt realistischer vor, da „steigt der Bergmann zum Schacht“. Die folgenden Verse führen uns in die Welt der Arbeiter im Tage- und Unterbau. Es wird hier ein Mensch dargestellt, der sich zwischen zwei Welten befindet, zwischen der dunklen und der hellem. Daher lässt sich vermuten, dass er sich in beiden Welten zurechtfinden muss, wobei er in der ersten Welt an die „trübe Lampe“ angewiesen ist. Sie erinnert ihn durch die Schatten an der Wand, die eine Art von Vergänglichkeit besitzen, da sie kommen und gehen, wie das Leben auf der Erde. „Sieh, ich steige hinab,“ das lyrische Ich spricht nicht nur seine Geliebte an, sondern bezieht auch den Leser in das Gedicht mit ein und möchte bei der Geliebten, die in der dunklen Welt ist, an „Helle und Qual und Tag“ vergessen, da dieses es als drohend empfindet. Die Gefahr „an den Feldern verwächst“, da „der Wind steht“. Dieses Gefahr lässt einen vermuten, dass es von großer Macht ist, wenn auch der Wind stehen bleibt. Der Wind ist ja kein Mensch, sondern eine Naturerscheinung, die sich doch nur den Naturgesetzen unterwirft. Das Bild der Gefahr wird lebendig durch „hohen Dorn“, der sogar „gegen das Himmelsblau“ verwächst und dies ruft in diesem Liebesgedicht traurige, schwermutige, ja sogar nichtige Atmosphäre hervor. Mit der fünften Strophe wird diese Atmosphäre plötzlich verschwunden. “Gib mir die Hand, “ diese Worte des lyrischen Ich lassen keine Spüren von der vorherigen Schwermütigkeit und Traurigkeit empfinden, sondern wecken das Vertrauensgefühl und in den folgenden Versen das Zusammengehörigkeitsgefühl. „Einsamer Vögelflug Flug“ aber bedeutet, als ob der Gedanke an das Zusammensein unmöglich wäre, etwas wonach man vergeblich hätte suchen können. Die sechste Strophe schafft wieder eine angenehmere Atmosphäre. Sie stellt den Sommer sowie den Herbst dar, aber die Tätigkeiten, die man in diesen Jahreszeiten ausüben kann, scheinen durcheinander geraten zu sein, irgendwie chaotisch. Damit ist der Leid der frühen Expressionisten ausgedrückt. Sie nämlich „litten unter der Verlogenheit, der Sinnlosigkeit und dem Chaos des modernen Lebens.“ (Frenzel 1991, 531). In der folgenden Strophe fordert das lyrische Ich die Suche nach der Liebe auf. Er sieht sie „tief“ in der Stille oder meint es sie in der Abendrot zu finden, wo es die Stirn seiner Geliebten berühren könnte. Wird endlich diese Liebe zur Wirklichkeit? Nein, das es aufruft „Hebe den krug herauf, Trinke den Schlaf“ und diese Worte deuten zwar an die Ewigkeit der Liebe, aber nach ihrer Vergeblichkeit in dieser Welt, was im Bild des Endes ausgedrückt wird. „Oben zu ruhn im Hause der dürftigen Blume“, die neue Stätte der Liebe bezieht sich an die andere Welt, an die Welt, wo man sich ähnlich wie zu Hause fühlen wird, jedoch wird das ein anderes Leben sein, ein ruhiges Leben.