Anna Seghers (Biographie) NJ
Anna Seghers ist das einzige Kind des Kunsthändlers Isidor Reiling und seiner Frau Hedwig (geb. Fuld); die Familie bekennt sich zum orthodoxen Judentum.Allerdings ist das von Anna Seghers am abgegriffenste Buch in der Familienbibliothek der Reilings die Lutherbibel. Sie besucht erst eine Privatschule, dann ein Lyzeum (Oberschule für Mädchen). Im Ersten Weltkrieg leistet sie Kriegshilfsdienste. 1920 absolviert sie das Abitur. Anschließend studiert sie in Köln und Heidelberg Geschichte, Kunstgeschichte und Sinologie. 1924 promoviert sie an der Universität Heidelberg mit einer Dissertation über Jude und Judentum im Werk Rembrandts.
1925 heiratet sie den ungarischen Soziologen László Radványi. Das Ehepaar zieht nach Berlin, wo 1926 der Sohn Peter geboren wird. Eine ihrer ersten Veröffentlichungen, die Erzählung Grubetsch, erscheint 1927 unter dem Künstlernamen Seghers (ohne Vornamen), worauf Kritiker einen Mann als Autor vermuten. Das Pseudonym Seghers entleiht sie dem von ihr geschätzten niederländischen Radierer und Maler Hercules Segers (der Name wurde gelegentlich auch Seghers geschrieben).
1928 wird die Tochter Ruth geboren. In diesem Jahr erscheint auch Seghers erstes Buch Aufstand der Fischer von St. Barbara unter dem Pseudonym Anna Seghers. Für ihren Erstling wird ihr, auf Vorschlag von Hans Henny Jahnn noch im selben Jahr der Kleist-Preis verliehen. Ebenfalls 1928 tritt sie der KPD bei, und im folgenden Jahr ist sie Gründungsmitglied des Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller. 1930 reist sie erstmals in die Sowjetunion. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wird Anna Seghers kurzzeitig von der Gestapo verhaftet; ihre Bücher werden in Deutschland verboten und verbrannt. Wenig später kann sie in die Schweiz fliehen, von wo aus sie sich nach Paris begibt.
Im Exil arbeitet sie an Zeitschriften deutscher Emigranten mit; unter anderem ist sie Mitglied der Redaktion der Neuen Deutschen Blätter. 1935 ist sie eine der Gründerinnen des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller in Paris. Nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs und dem Einmarsch deutscher Truppen in Paris wird Seghers Mann in Südfrankreich im Lager Le Vernet interniert. Anna Seghers gelingt mit ihren Kindern die Flucht aus dem besetzten Paris in den von Henri Philippe Pétain regierten Teil Südfrankreichs. Dort bemüht sie sich in Marseille um die Freilassung ihres Mannes sowie um Möglichkeiten zur Ausreise. Diese Zeit bildet den Hintergrund des Romans Transit (erschienen 1944).
Im März 1941 gelingt es Anna Seghers, mit ihrer Familie von Marseille aus über Martinique, New York, Veracruz nach Mexiko-Stadt auszuwandern. Ihr Mann, der sich inzwischen mit deutschem Namen Johann-Lorenz Schmidt nennt, findet dort Anstellung, erst an der Arbeiter-Universität, später auch an der Nationaluniversität. Anna Seghers gründete den antifaschistischen Heinrich-Heine-Klub, dessen Präsidentin sie wird. Gemeinsam mit Ludwig Renn ruft sie die Bewegung Freies Deutschland ins Leben und gibt deren gleichnamige Zeitschrift heraus. 1942 erscheint ihr wahrscheinlich berühmtester Roman Das siebte Kreuz - in einer englischen Ausgabe in den USA - und auf deutsch in Mexiko. Im Juni 1943 erleidet Anna Seghers bei einem Verkehrsunfall schwere Verletzungen, die einen langen Krankenhausaufenthalt notwendig machten. 1944 verfilmt Fred Zinnemann Das siebte Kreuz - der Erfolg von Buch und Film machen Anna Seghers weltberühmt.
1947 verläßt Seghers Mexiko und kehrt nach Berlin zurück, wo sie anfangs als Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands in West-Berlin lebt. In diesem Jahr wird ihr der Büchnerpreis verliehen. 1950 zieht sie nach Ost-Berlin. Sie wird Mitglied des Weltfriedensrates und zum Gründungsmitglied der Deutschen Akademie der Künste berufen. 1951 erhält sie den Nationalpreis der DDR und unternimmt eine Reise in die Volksrepublik China. 1952 wird sie Vorsitzende des Schriftstellerverbandes der DDR (bis 1978). 1955 ziehen Anna Seghers und ihr Mann in die Volkswohlstraße 81 (heute Anna-Seghers-Straße), in Berlin-Adlershof, wo sie bis zu ihrem Tod wohnen. Heute befindet sich in der Wohnung die Anna-Seghers-Gedenkstätte, ein Museum zu Leben und Werk der Autorin.
Als 1957 Walter Janka, dem Leiter des Aufbau-Verlages (wo auch Seghers Bücher erscheinen), wegen angeblicher 'konterrevolutionärer Verschwörung' der Prozess gemacht wurde, organisierte sie dagegen eine Resolution Berliner Schriftsteller und intervenierte - erfolglos - bei Walter Ulbricht. 1961 reiste sie nach Brasilien. 1975 wurde ihr der Kulturpreis des Weltfriedensrates verliehen sowie die Ehrenbürgerschaft von (Ost-)Berlin. 1978 trat sie als Präsidentin des Schriftstellerverbandes zurück und wurde dessen Ehrenpräsidentin. Im selben Jahr starb ihr Mann. 1981 wurde Anna Seghers auch die Ehrenbürgerwürde ihrer Geburtstadt Mainz verliehen. Sie starb am 1. Juni 1983 und wurde, nach einem Staatsakt in der Akademie der Künste, auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin beigesetzt.