Analyse des Werkes- Der kaukasische Kreidenkreis

Analyse des Werkes

Eines der bekanntesten epischen Dramen Brechts gilt Der Kaukasische Kreidekres. Es wird oft als ein Musterstück des epischen Theaters betrachtet. Die Motive aus diesem Stück kann man nicht nur in der Bibel, den buddhistischen und islamischen Erzählungen, sondern auch im chinesi-schen Stück Hui-Lan-Ji, Kreidekreis, von Li Hsing-tao aus dem 13. Jahrhundert finden.
Bertolt Brecht begann mit seinem Kreidekreisstück in seinem USA-Exil. Brecht ließ seine Kreidekreisgeschichte in Kaukasien spielen und sie in der nachkriegssowjetischen Situation aufführen. Es entstanden also zwei Geschichten. Das bedeutet eine eigentliche Kreidekreisge-schichte und eine sowjetische. Beide Geschichten haben gemeinsames Merkmal und zwar sie handeln vom Krieg. Einerseits handelt es sich um Bürgerkriegsunruhe, während das Dienstmädchen Grusche ihre mütterliche Liebe zu dem gewordenen Kind, das sie vor zahllosen Gefahren gerettet hat, beweist und es durch den richterlichen Zuspruch gewinnt, anderseits können die Kolchosenbauern ihren Nachkriegseigentumsstreit ums Tal durch Beweise besserer Fürsorge und Anwendung lösen. Die sowjetische Version der Eigentumslösung, die durch das Vorspiel des Stücks vertritt, wurde jedoch lange Zeit im Westen abgelehnt. Das Werk gilt als Erzeugnis der Zeit gesellschaftlicher und politischer Konflikte.
Das zentrale Thema des Stücks ist die Gerechtigkeit und die echte Mutterliebe. B.Brecht vergleicht im Werk die Mutterliebe zwei Frauen, wobei eine Liebe positiv und andere negativ ist und er sucht dabei eine Antwort auf die Frage: „Wer hat das Recht, sich als echte Mutter zu be-zeichnen?“ Man kann feststellen, dass die echte Mutter nicht die ist, die das Kind auf die Welt bringt, aber die echte Mutter ist die, die das Kind erzieht, die für es sorgt.
Das Hauptthema des Stückes ist die Gerechtigkeit durch einen legendären Kreidekreisver-fahren. Die Kreidekreis-Probe findet man schon in der Bibel oder in chinesischen Volksstücken und in den Geschichten der anderen Religionen, wo das Kind in die Hände der biologischen Mutter anvertrauet wurde. Für Brecht beruht die Mutterschaft mehr auf Menschlichkeit und sozialen Aspekten, als auf Blutsbande.
Dieses Stück entstand im Jahre 19456 und es kann in drei Teile unterteilen. 1. Das Vorspiel, 2. Geschichte der Magd Grusche und 3. Geschichte des Richters Azdak. Beim Betrachten des Personenverzeichnisses zeigt sich ein Merkmal des epischen Tehaters. Das Werk ist so konstruiert, dass es das Publikum sehr anspricht.
Das Vorspiel des Kreidekreises spielt sich in der Sowjetrepublik. Im Vorspiel handelt es sich umden Streit zwischen zwei örtlichen Gemeinden um ein Stück Land. Von den westlichen Kritikern wurde das Vorspiel als typisch für das kommunistische System bezeichnet, also lächerliche Propaganda für den Kommunismus. Deshalb die früheren Aufführungen im Westen übersprangen das Vorspiel und beginnen gleich mit dem eigentlichen Schauspiel an. Im Vorspiel kehren die von den deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg Dorfbewohner in ihr Dorf zurück, um es wieder aufzubauen. Das Bild des Aufbaus in der Sowjetunion sollte auf die deutsche Situation beim Wiederaufbau aufmerksam machen. Das Dorft will Dorf zerstört lassen und eine Bewäs-serungsanlage daraus machen. Nach heftiger Diskussion wird das Dorf den Nachbarn zugesrpochen, da ihr Vorhaben der Gegend am meisten nutz. Aus diesem Anlass, wird ein Fest gefeiert, wobei man ein altes chinesisches Lehrstück aufführt.
Geschichte der Magd Grusche mit dem Kind des Gouverneuers Michel, sowie die Ge-schichte vom Richter Azdak erzählt der Sänger. Die Geschichte werden nacheinander erzählt.
Mit der Aufführung des Stückes beginnt der zweite Teil des Dramas und zwar die Geschichte der Magd Grusche. Grusche ist Magd, die dem Gouverneur und seiner Frau dient.
Die Geschichte der Grusche gilt zugleich als die Geschichte des Kindes. Durch die Bitte der Kinderfrau erhält Grusche Michel. Sie hat also die Verantwortung für das Kind. Sie geriet sich in der Verzweiflung und will sie zuerst, so wie die anderen, auch zu fliehen ohne das Kind. Sie hat aber nicht das Herz das Kind zu verlassen: „Lange saß sie bei dem Kinde Bis der Abend kam, bis die Nacht kam Bis die Frühdämmerung kam. Zu lange saß sie - Zu lange sah sie - Das stille Atmen, die kleinen Fäuste Bis die Verführung zu stark wurde gegen Morgen zu Und sie aufstand, sich bückte und seufzend das Kind nahm Und es wegtrug.“ Als eine Revolte gegen den Gouverneur entsteht, will jeder flüchten und kümmert sich niemand um den kleinen Sohn. Er wird von seinen Eltern im Stich gelassen. Grusche aber nimmt ihn mit und flüchtet mit ihm ins Gebirge, um ihn nicht im Gefahr zu bringen. Einige Zeit später wird sie von Gouverneurssoldaten auf richterlichen Beschluss gefunden und ihr Ziehsohn seiner lieblichen Mutter, der Goruveneurin übergeben. Der Sänger kommentiert dies mit der Frage wer der Richter sein wir, ob ein guter oder ein schlechter:
„Wer wird den Fall entscheiden, wem wird das Kind zuerteilt? Wer wird der Richter sein, ein guter, ein schlechter? Die Stadt brannte. Auf dem Richterstuhl saß der Azdak.“
Hier beginnt nun die Geschichte des Richters Azdak. Azdak ist nicht von Anfang an Richter.
Weil der eigentliche Richter von Revolutionären erhängt wurde, will der fette Fürst seinen Neffen für das Amt einsetzen. Er meint, daß es besser wäre, wenn das Volk über einen neuen Richter entscheiden zu lassen. Es wird ein Schauprozess geführt. An diesem Prozess nimmt auch Azdak teil. Azdak verpottet indirekt den Fürsten. Darum wählen die Panzerreiter, die das Volk repräsentieren, Azdak zum neuen Richter. Azdak wird bekannt als ein Richter, bei dem auch kleine Leute eine Chance auf Gewinn eines Prozesses haben.
Azdak ist eine volkstümliche, kulinarische Gestalt. Er ist ursprünglich ein Dorfschreiber, der in einer chaotischen Zeit zufälligerweise von den Panzerreitern zum neuen Richter für zwei Jahre gewählt wurde. Während dieser zwei Jahre revidiert er die Gesetze zugunsten der armen Leute, und schafft etwas, was der Gerechtigkeit nahe steht. Zum Schluss dieser zwei Jahre muss er sich um seine Haut kümmern. Glücklicherweise wird er nicht nur von dem Großfürsten gerettet, sondern er kann in seiner Stellung weiterbleiben. Seine Anwendung des Kreidekreisverfahrens zeugt von seinem Gerechtigkeitssinn und er gibt der Grusche das Kind.
Azdak zeigt seine tiefe Menschlichkeit und Klugheit. Gleichzeitig kann man in dieser Figur einen lustigen, genußfreudigen und einfachen Dorfschreiber entdecken. Die Panzerreiter haben ganz den Nadel auf den Kopf getroffen, als sie sagten: „Immer war der Richter ein Lump, so soll jetzt ein Lump der Richter sein.“ Azdaks Richterstelle ist nur ein Nebenprodukt einer Ausnahmesituation. Deshalb muss er seine Tätigkeit aufgeben, nachdem er sich letztes Mal für arme Leute entschieden hat. Azdak sympatisiert zwar als verlumpter Dorfschreiber mit der Revolution, aber er ist kein Revolutionär.
Azdak sympathisiert mit den armen Leuten. Azdaks Recht ist im allgemeinen deutlich parteiisch und richtet sich an Klassenprinzipien. Die Leute, die zu höheren Klassen gehören, wie z.B. der Gouverneur, der Großfürst, der Fürst und Grundbesitzer sind vorbestimmte Verlierer hinsichtlich ihrer Rechtansprüche.
Am Ende des Stückes werden das Vorspiel und der Hauptteil mit den beiden Geschichten durch den Kommentar, beziehungsweise der Moral, die der Sänger den Zuschauern verkündet, zusammengeführt. In dieser Moral heißt es, daß etwas demjenigen gehören soll der am meisten dafür tut oder der das beste damit anzufangen weiß. Diese Moral gibt dem Stück das Aussehen einer Fabel. Das Verkünden der Moral des Stückes durch den Sänger, ist typisch für das epische Drama.
Was die Geschichte der Magd Grusche und die Geschichte des Richters Azdak betrifft, haben die Geschichten gemeinsames Merkmal und zwar die Zeit und ihre Erignisse. Sie beginnt mit dem Sturz des Großfürsten und seiner Gouverneure, die ermordet wurden. Der neue Herrscher, der dicke Fürst, führt eine Scheindemokratie ein, um sich das Wohlwollen des Volkes zu sichern, kämpft aber zugleich gegen einen Volksaufstand.
Eine Rolle in beiden Geschichten spielt die Zeit des Chaos. Grusche ist eigentlich doppelt verfolgt. Als Dienerin der alten Herrschaft, zugleich hat sie aber auch ein Kind, das legitimer Erber ist.
Die Mutterschaft Grusches entsteht nicht aus den mütterlichen Gefühlen für das Kind, sondern aus ihrer gemeinsamen Geschichte, aus der Geschichte ihrer Zusammengehörigkeit und ihrer gegenseitigen Abhängigkeit – wie das Kind von Grusches Hilfe abhängig ist, so wird sie immer mehr vom Kind abhängig. In Grusche erwacht also keine Mütterlichkeit, sondern sie wird durch die Tatsache, dass ein anderer Mensch Hilfe braucht, zur Hilfeleistung verführt, die sie widerwillig übernimmt. Sie versucht zwar noch die Verantwortung weiterzugeben, aber wenn es mißlingt, nimmt sie sich des Kindes an und muss nun die Konsequenzen aus ihrer Mutterschaft tragen.
Die Hände spielen in diesem Werk auch ein Motiv. Gerade die Hände entdeckten Grusche, dass sie eine Magd ist: „...es ist nichts schwerer, als einen faulen und nutzlosen Menschen nachzuahmen. Wenn du bei denen in den Verdacht kommst, dass du dir selber den Arsch wischen kannst oder schon einmal im Leben mit deinen Händen gearbeitest hast, ist es aus.“
Die Hände haben auch den Großfürsten verraten, seine reinen Hände: „ Zeig einmal deine Hand her!Du sollst deine Hand herzeigen. Weiß. Du bist also gar kein Bettler!“
Die Geschichten von Azdak und Grusche werden vom Sänger erzählt und zugleich inszeniert. Sänger ist Erzähler und Regisseur zugleich. Er ist Erzähler, Spielleiter, der die Geschich-te von den Schauspielern, die die Kolchosbauern sind, agieren lässt. Der Sänger gibt den Figuren die Anweisungen, er spricht aus, was die Schauspieler nicht selbst sagen. Als Partner stehen dem Sänger die Musiker zur Seite, die einerseits kommentieren, reflektieren und die andererseits auch die Fragen stellen, die möglicherweise das Publikum selbst hätte. Der Sänger ist ein Vermittler zwischen der Szene – Geschichte und dem Publikum.
Ein anderes Merkmal des Stückes ist Kritik an Macht des Geldes. Grusche verdient nur 2 Piaster in der Woche. Die Anwälte arbeiten nur für Honoraren. Die Panzerreiter sind auch nur fürs Geld da. Die Mutter des sterbenden Bauern, den Grusche zu heiraten angibt, fordert 400 Piaster dafür. Man sieht in die Taschen der korrupten Fürsten.
Der Protest gegen den Krieg ist ein anderes wichtiges Thema des Stücks. Die dramatische Situation des Vorspiels ist die Zerstörung des zweiten Weltkrieges. Grusches Verlobter Simon Chachava muß in den Krieg ziehen. Mehrere Songs wie Azdaks Anti-Krieg-Song sind mit diesem Thema verbunden.
Im allgemeinen ist dieses Stück eines erfolgreichsten jedoch umstrittensten Stücke unserer Zeit.