Die Leiden des jungen Werther

Einleitung
“Die Leiden des jungen Werthers” von Johann Wolfgang Goethe gilt als Schlüsselroman des Sturms und Drang. Sturm und Drang ist die Bezeichnung für die Epoche deutscher Literatur von 1767 bis 1785 und heißt auch „Geniezeit“. Die Epoche ist nach dem gleichnamigen Drama Friedrich Maximilian Klingers benannt. Zu den bedeutendsten Schriftstellern gehören J.W. Goethe, Friedrich Schiller, G.A. Bürger oder J.G. Herder. Für viele Dichter war der Sturm und Drang nur eine vorübergehende Phase ihres Lebens und Schaffens. Goethe wurde am 28. August 1749 in Franfurt am Main geboren, und ist als Dichter, Naturwissenschaftler, Kunsttheoretiker und Vertreter der Weimarer Klassik bekannt. Als Verfasser von Gedichten, Dramen und Prosa-Werken gilt er als bedeutendster deutscher Dichter. Er ist am 22. März 1832 in Weimar gestorben. Sein „Werther“ ist ein Prosa-Werk in der Form eines Briefromans. Bis zum 18. Jahrhundert war diese literarische Gattung kaum anerkannt. Briefroman ist für die Darstellung des Lebens und der Natur gut geeignet, außerdem bringt größere Glaubwürdigkeit. Briefe dienten damals als wichtiges Medium des Bürgertums, zur Analyse seelischer Vorgänge. Goethes Briefroman hat den Tagebuchcharakter und verkleinert die Distanz zwischen Werther und dem Leser. In diesem Roman geht es um eine unglückliche Dreieckbeziehung zwischen Werther, Lotte und ihrem Verlobten Albert, die mit einem tragischen freiwilligen Tod von Werther endet. Vor allem von den Kritikern des Buches wird der Vorwurf geäußert, dass es in Folge des Romans zu einem sprunghaften Anstieg von Selbstmorden kam.

Inhalt
Der Briefroman besteht aus zwei Teilen. Das erste Buch schildert die Zeit vom 4. Mai 1771 bis zum 3. September. Das zweite Buch beginnt am 20.Oktober 1771 und endet am 21. Dezember 1772. Die beiden Teile bestehen hauptsächlich aus Briefen, im zweiten Buch berichtet der Herausgeber über Werthers Gemütszustand.
Der junge Werther ist in einer kleinen Stadt zu Besuch, um eine Erbschaft für seine Mutter zu regeln. Er findet Ruhe in der Betrachtung der Natur und der Menschen dieser Stadt. Man erfährt aus seinen Briefen an seinen Freund Wilhelm, dass er wenig älter als 20 Jahre ist und sich noch nicht schlüssig ist, welchen Sinn er seinem Leben geben soll, welcher Beschäftigung er nachgehen soll. Werther lernt Lotte kennen, die Tochter des Amtmannes und verliebt sich in ihr. In der folgenden Zeit besucht Werther Lotte täglich und verlebt in ihrer Nähe glückliche Stunden. Als jedoch Albert, Lottes Verlobter, von seiner Reise zurückkehrt, verschlechtert sich Werthers Laune. Wilhelm rät ihm, die Stadt zu verlassen. Werther übernimmt eine Stelle bei einem Minister, die er aber bald im Streit wieder aufgibt. Werther kehrt wieder in die Nähe Lotte zurück, die inzwischen Albert geheiratet hat. Seine Stimmung sinkt immer mehr und er hat auch Selbstmordgedanke. Werther hat offenbar eine seelische Krankheit, die heutzutage präsuizidales Syndrom heißt. Als Werther Lotte eines Abends kurz vor Weihnachten in Alberts Abwesenheit besucht und ihr aus dem “Ossian” vorliest, wird er von seinen Gefühlen übermannt, umarmt und küsst sie. Lotte sagt ihm aber, dass sie ihm erst 4 Tage später sehen will, um wieder eine Distanz zwischen ihnen herzustellen. Nach diesem Ereignis entscheidet sich Werther endgültig. Er schreibt einen Abschiedsbrief, leiht sich von Albert zwei Pistolen und erschießt sich. Am nächsten Morgen wird er in seiner charakteristischen blau-gelben Kleidung gefunden und stirbt schließlich gegen zwölf Uhr Mittags.

Sprache
Goethe hat in seinem Werk oft parataktische Satzkonstruktionen benutzt, oder auch Konditionalsatzgefüge. Diese sind charakteristisch sehr lang, darum nennt sie man auch „Werthersperioden“. Um genau Werthers Laune zu beschreiben, verwand Goethe viele Ausrufe, Anaphern, Metaphern, Vergleiche, Ellipsen (unvollständige Sätze), oder Redeabbrüche. Außerdem benutzte der Autor viele Ausdrücke aus dem religiösen Sprachgebrauch (Engel, Tod, Grab), hauptsächlich im letzten Brief (S.99).

Werther und die Natur
Im ersten Teil des Romans erfährt Werther die Natur, indem er in ihr spazieren geht. Hier fühlt sich Werther geborgen und vergisst sogar Sorgen und Ängste. Als er zu Anfang Lotte kennen lernt verstärken sich seine positiven Empfindungen noch. Doch dieser Zustand hält nicht lange an. In dem Augenblick, in dem Werther merkt, dass seine Liebe unerfüllt bleibt, ändert sich sein gesamtes Naturbild. Er sieht nicht mehr das Schöne, sondern die Zerstörungskraft der Natur (S.43 Z.38ff). Dieser depressive Zustand verstärkt sich gegen Ende des Buches immer mehr. Die Bilder der Gewalt häufen sich. Im Höhepunkt seines Leidens schlägt seine Stimmung wieder in Todessehnsucht um. Er glaubt, dass seine Rettung im Abschied von der Welt liegt. Denn nur im Tod könnte er sich mit der Natur vereinigen, was sein Abschiedsbrief beweist. Er hinterlässt einen Zettel, in dem er den Wunsch äußert, er will in völligem Einklang mit der Natur unter zwei Lindenbäumen beerdigt werden (.S.105 Z.4ff).Erst im Tod hat Werther also die lang ersehnte Einheit zwischen Natur und Mensch erreicht.

Werther und Kinder
Werther hat eine innige Beziehung zu den Kindern. In ihrer Gegenwart fühlt er sich selbst als Kind (S.30/30) und kann sich so benehmen als wäre er noch einmal eins (S.24/30f). Er hat eine hohe Meinung von ihnen, denn sie sind die natürlichsten, reinsten, freundlichsten und tugendhaftesten Menschen. Werther kritisiert Erwachsene, indem er die guten Eigenschaften von Kindern nennt und idealisiert. Seiner Meinung nach sollten Kinder unsere Muster sein und nicht als die Untertannen behandelt werden. Für Werther gilt, dass er mit dem einfachen Volk und den Kindern besser zurechtkommt als mit den steifen Vorstellungen des Adels.

Lotte
Lotte, ein junges Mädchen, lebt seit dem Tod ihrer Mutter, mit ihrem Vater und den 8 Geschwistern, um die sie sich kümmert, zusammen. Wir haben ihre Charakterisierung nur aus der Perspektive von Werther, der sie liebenswürdig, charmant, hübsch, überdurchschnittlich, freundlich und hilfsbereit sieht. Lotte spielt gerne auf dem Klavier, bevorzugt vor allem den deutschen Tanz und liest gerne Bücher. Aber sie ist auch geschwätzig, das sieht man, als ihre Freundin zu Besuch ist, und sie über die verschiedenen Krankheiten gewisser Personen reden. Lottes Leben ist eintönig und wenig aufregend, darum sieht sie Werther als eine „Abwechslung“, doch langsam erkennt sie, dass sich zwischen Werther und ihr eine fast unauflösliche Verbindung aufgebaut hat, an der sie genauso viel Schuld wie Werther hat. Während des gesamten Romans ist sich Lotte ihrer Gefühle für Albert sicher. Sie liebt und verehrt ihn von ganzem Herzen.

Albert
Albert ist ein braver, solider, bürgerlicher Mann. Er ist sehr ordentlich, fleißig und in seinen Geschäften erfolgreich. Er ist ein großzügiger und gastfreundlicher Mensch, wie sich in seinem uneifersüchtigen Verhalten gegenüber Werther zeigt. Alberts Charakter ist am deutlichsten von seiner schon erwähnten Sachlichkeit und Objektivität geprägt. Besonders deutlich wird dies im Gespräch mit Werther zum Thema Selbstmord (S.40). Er hält es für eine Schwäche sich umzubringen, da seiner Meinung nach alle Probleme zu lösen sind. Er steht praktisch als ein Beispiel für einen aufgeklärten Bürger des 18.Jahrhunderts.